In der modernen Arbeitswelt sind Krankschreibungen ein kritischer Faktor, der sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber von großer Bedeutung ist. Aber wie können Arbeitgeber bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit ihrer Mitarbeitenden reagieren?
In unserer sich stetig wandelnden Arbeitslandschaft stellt die Handhabung von Krankschreibungen eine komplexe Herausforderung dar. Auf der einen Seite stehen die Arbeitnehmer, die im Krankheitsfall ein Recht auf Ruhe und Genesung haben, und auf der anderen Seite die Arbeitgeber, die auf die Aufrechterhaltung ihrer Betriebsabläufe angewiesen sind. Dieser Spannungsbogen zwischen den Bedürfnissen des Einzelnen und den Anforderungen des Unternehmens führt zu einer Reihe von Fragen: Wie können Arbeitgeber die Echtheit von Krankschreibungen überprüfen, ohne das Vertrauen ihrer Mitarbeiter zu untergraben? Welche arbeitsrechtlichen Maßnahmen können gegen missbräuchliche Krankschreibungen ergriffen werden? Und wie kann ein Gleichgewicht gefunden werden, das sowohl die Gesundheit der Mitarbeiter als auch die Produktivität des Unternehmens fördert?
„Daher stellt sich die Frage, wie Arbeitgeber mit Zweifeln an Krankschreibungen umgehen können? Das ist auch bei berechtigten Zweifeln gar nicht so einfach. Eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen gelingt aber beispielsweise dann, wenn ein krankgeschriebener Mitarbeiter bei Freizeitaktivitäten oder anderen Tätigkeiten beobachtet wird, die einer Arbeitsunfähigkeit entgegenstehen“, erklärt Rebekka De Conno, LL.M. (gewerblicher Rechtsschutz), Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der multidisziplinären Kanzlei WWS Wirtz, Walter, Schmitz & Partner mbB mit Standorten in Mönchengladbach, Aachen und Nettetal am Niederrhein (www.wws-gruppe.de).
Es bleibt also eine Herausforderung für Arbeitgeber, eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit zu beweisen, vor allem weil der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, Auskünfte zur Krankheit zu erteilen. Auch sind regelmäßig keine Diagnosen bekannt. Gleichzeitig unterliegen Arbeitnehmer der gesetzlichen Nachweispflicht durch Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit bei einer länger als drei Tage andauernden Arbeitsunfähigkeit vorgesehen. Der Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, die Vorlage bereits früher zu verlangen, wenn er Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeitenden hat. „Obacht: Für eigene Nachforschungen ist der Rahmen recht eng gesteckt. Wichtig ist, dass Arbeitgeber das Recht auf Privatsphäre und die gesundheitlichen Interessen der Arbeitnehmer respektieren, während sie gleichzeitig versuchen, Missbrauch zu verhindern“, warnt Rebekka De Conno.
Um die Unzulässigkeit einer Krankschreibung nachzuweisen und damit die Lohnfortzahlung zu unterbrechen, muss der Arbeitgeber deren Beweiswert erschüttern. Merkmale für einen Missbrauch sind in § 275 SGB V formuliert: Diese gelten vor allem in Fällen, in denen Versicherte auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig sind oder der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.
Und ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2023 zur Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bestätigt, dass auch zusätzliche Merkmale für einen Missbrauch sprechen können. Der Beweiswert von (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann beispielsweise auch dann erschüttert sein, wenn der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt.
Der Kläger war seit März 2021 als Helfer bei der Beklagten beschäftigt. Er legte am Montag, dem 2. Mai 2022, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 2. bis zum 6. Mai 2022 vor. Mit Schreiben vom 2. Mai 2022, das dem Kläger am 3. Mai 2022 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 2022. Mit Folgebescheinigungen vom 6. Mai 2022 und vom 20. Mai 2022 wurde Arbeitsunfähigkeit bis zum 20. Mai 2022 und bis zum 31. Mai 2022 (einem Dienstag) bescheinigt. Ab dem 1. Juni 2022 war der Kläger wieder arbeitsfähig und nahm eine neue Beschäftigung auf. Die Beklagte verweigerte die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei erschüttert. Dem widersprach der Kläger, weil die Arbeitsunfähigkeit bereits vor dem Zugang der Kündigung bestanden habe.
„Die Vorinstanzen haben der auf Entgeltfortzahlung gerichteten Klage für die Zeit vom 1. bis zum 31. Mai 2022 stattgegeben, aber vor dem Bundesgerichtshof hatte die Revision teilweise – bezogen auf den Zeitraum vom 7. bis zum 31. Mai 2022 – Erfolg. Das ist ein interessantes Urteil und zeigt, dass Arbeitgeber Chancen haben, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen anzuzweifeln und die Lohnfortzahlung damit auszusetzen. Das ist jeweils eine individuelle Fallbewertung“, sagt Rebekka De Conno.
Quelle: PT-Magazin
Korrespondenz mit:
Rebekka De Conno, LL.M.
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
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Universität) und in Düsseldorf (Heinrich-Heine Universität) |
2005 |
1. Juristisches Staatsexamen |
2005 – 2007 |
Rechtsreferendariat am Landgericht Duisburg
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Schwerpunkte: Gewerblicher Rechtschutz, Arbeitsrecht
Wahlstation: Field Fisher Waterhouse LLP, IP-Abteilung, London, Rechtsanwältin Babette Märzheuser-Wood
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2007 |
2. Juristisches Staatsexamen
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Zulassung als Rechtsanwältin
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