04.2017

Vorsteuerabzug - Entspannung in Sicht

Bislang lehnt die Finanzverwaltung den rückwirkenden Vorsteuerabzug aus fehlerhaf­ten Rechnungen ab. Der Europäische Gerichtshof vertritt in aktuellen Urteilen eine andere steuerzahlerfreundliche Position.

Viele Rechnungen bergen für den Empfänger enormen Spreng­stoff. Schon bei kleinen forma­len Fehlem können Betriebsprüfer den sicher geglaubten Vorsteuerabzug streichen. Zwar ist es möglich, eine Rechnung zu korrigieren. Doch bislang gewähren die Finanzämter den Vor­steuerabzug erst ab dem Zeitpunkt, zu dem eine korrigierte Rechnung vor­liegt. Die Folge: Es drohen Nachzah­lungen, die sich samt Zinsen schnell auf hohe Beträge summieren können. Die aktuelle Rechtsprechung eröffnet Unternehmen die Möglichkeit eines rückwirkenden Vorsteuerabzugs.

Zwei aktuelle Urteile des Europäi­schen Gerichtshofs (EuGH) schieben der bisherigen Praxis der deutschen Finanzverwaltung bei der Rechnungs­korrektur einen Riegel vor (AZ: C-516/14 und C-518/14). Die Richter geben grundsätzlich grünes Licht für einen rückwirkenden Vorsteuerabzug. Sie sind der Ansicht, dass die Rückwir­kung nicht zwingend von einer formal richtigen Rechnung abhängen darf. Auch wenn einzelne Pflichtmerkmale wie eine konkrete Leistungsbeschrei­bung, der genaue Leistungszeitpunkt oder die Steuernummer des Rech­nungsstellers fehlen, ist der Empfänger laut EuGH zum Vorsteuerabzug be­rechtigt. Voraussetzung ist, dass in dem Jahr, für das er den Vorsteuerabzug beantragt, die sogenannten „materiel­len Anforderungen“ erfüllt sind. Das heißt: Der Rechnungsempfänger ist steuerpflichtiger Unternehmer und hat von einer steuerpflichtigen Firma eine Ware oder Dienstleistung erhalten, die er für sein Unternehmen verwendet. Dies muss er anhand anderer Doku­mente belegen können. Zudem ist un­abdingbar, dass eine Erstrechnung vorliegt, die der Rechnungsaussteller korrigiert.

Der Bundesfinanzhof (BFH) folgt in einem aktuellen Urteil (AZ: V R 26/15) dem EuGH. Jedoch definieren die BFH-Richter konkrete formale Mindestan­forderungen an eine Erstrechnung. Auf dem Dokument dürfen Leistungsemp­fänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt und gesondert ausgewiesene Umsatz­steuer nicht fehlen.

Noch setzt die Finanzverwaltung die neue Rechtsauffassung nicht um. Lehnt das Finanzamt einen rückwir­kenden Vorsteuerabzug aus korrigier­ten Rechnungen ab, sollten Unterneh­men prüfen, Einspruch einzulegen oder einen Änderungsantrag mit Ver­weis auf die EuGH- und BFH-Urteile zu stellen. Gute Aussichten haben Fir­men, wenn Steuerbescheide noch un­ter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, offengehalten wurden oder die Einspruchsfristen noch nicht abgelau­fen sind. Selbst bei bestandskräftigen Bescheiden muss ein abgelehnter Vor­steuerabzug nicht das letzte Wort sein. Ob auch hier Anspruch auf rückwir­kenden Vorsteuerabzug besteht, ist rechtlich unklar. Betroffene Firmen sollten mit ihren Fachberatern erör­tern, welche Handlungsoptionen sie haben.

Gesondertes Dokument

Eine Rechnung korrigiert immer der Rechnungssteller. Empfänger sollten darauf achten, dass dieser die fehler­haften oder fehlenden Angaben immer mit einem gesonderten Ergänzungsdo­kument berichtigt. Es genügt ein ein­faches Schreiben, das sich eindeutig auf die Rechnung bezieht sowie die ursprüngliche Rechnungsnummer und das Rechnungsdatum nennt. Auf gar keinen Fall sollte der Rechnungs­aussteller die ursprüngliche Rechnung stornieren und neu ausstellen. Schnell ist das Ursprungsdokument steuerlich nicht mehr von Belang und das Fi­nanzamt könnte das neue Dokument als Erstrechnung werten. Ein rückwir­kender Vorsteuerabzug wäre in diesem Fall ausgeschlossen. Die Frage, bis wann Unternehmen eine Rechnungs-berichtigung spätestens vornehmen müssen, hatte der EuGH offen gelas­sen. Der BFH sorgt in seinem aktuellen Urteil nunmehr für Klarheit. Rech­nungsempfänger können korrigierte Rechnungsdokumente noch bis zum Abschluss einer mündlichen Verhand­lung vorlegen.

Die aktuelle Rechtsprechung hat für Rechnungsempfänger auch eine Kehr­seite: Zwar fallen bei einer rückwirken­den Korrektur keine Nachzahlungszin­sen an. Gleichwohl könnte die Finanz­verwaltung laut EuGH Firmen für den Vorsteuerabzug aus formal falschen Rechnungen künftig sanktionieren, etwa in Form einer Geldbuße. Zudem sind Rechnungskorrekturen für alle Beteiligten stets mit enormem Auf­wand verbunden. Unternehmen soll­ten Vorkehrungen treffen, um Korrek­turen von vornherein zu vermeiden. Daher ist eine systematische Eingangs­kontrolle von Rechnungen nach wie vor das A und O.

Quelle: Kfz-Betrieb

Korrespondenz mit:

Martina Dapper
Steuerberaterin
Tel.: 02166 971-114
Fax: 02166 971-123
E-Mail: mdapper@wws-mg.de

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