06.2017

Steuerrecht - Rückwirkende Korrektur

Bislang lehnt die Finanzverwaltung den rückwirkenden Vorsteuer­abzug aus fehlerhaften Rechnungen ab. Die Rechtsprechung vertritt in aktuellen Urteilen eine andere Position. Wie betroffene Unternehmen profitieren können, erklärt Martina Dapper.

Schon bei kleinen formalen Fehlern können Betriebsprüfer den sicher ge­glaubten Vorsteuerabzug streichen. Zwar ist eine Rechnungskorrektur möglich. Doch bislang gewähren Fi­nanzämter den Vorsteuerabzug erst ab dem Zeitpunkt, zu dem eine korri­gierte Rechnung vorliegt. Die aktuel­le Rechtsprechung eröffnet Unterneh­men die Möglichkeit eines rückwir­kenden Vorsteuerabzugs.

Zwei aktuelle Urteile des Europäi­schen Gerichtshofs (EuGH) schieben der bisherigen Praxis der deutschen Finanzverwaltung bei der Rech­nungskorrektur einen Riegel vor (Az. C-516/14 und C-518/14). Die Richter geben grundsätzlich grünes Licht für einen rückwirkenden Vorsteuerab­zug. Auch wenn einzelne Pflicht­merkmale wie eine konkrete Leis­tungsbeschreibung, der genaue Leis­tungszeitpunkt oder die Steuernummer des Rechnungsstellers fehlen, ist der Empfänger laut EuGH zum Vor­steuerabzug berechtigt. Vorausset­zung ist, dass in dem Jahr, für das der Vorsteuerabzug beantragt wird, die sogenannten „materiellen Anforde­rungen“ erfüllt sind. Das heißt: Der Rechnungsempfänger ist steuer­pflichtiger Unternehmer und hat von einer steuerpflichtigen Firma eine Ware oder Dienstleistung erhalten, die er für sein Unternehmen verwen­det. Dies muss er anhand anderer Do­kumente belegen können. Zudem ist unabdingbar, dass eine Erstrechnung vorliegt und eine Rechnungskorrek­tur erfolgt. Die Richter lassen jedoch offen, ob eine fehlerhafte Erstrech­nung bestimmten Mindestanforde­rungen entsprechen muss.

Der Bundesfinanzhof (BFH) folgt in einem aktuellen Urteil (Az. V R 26/15) dem EuGH. Rechnungsempfänger haben Anspruch auf rückwirkenden Vorsteuerabzug aus korrigierten Rechnungen. Jedoch definieren die BFH-Richter konkrete formale Min­destanforderungen an eine Erstrech­nung. Auf dem Dokument dürfen Lei­stungsempfänger, Leistungsbe­schreibung, Entgelt und gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nicht fehlen.

Noch setzt die Finanzverwaltung die neue Rechtsauffassung nicht um. Lehnt das Finanzamt einen rückwir­kenden Vorsteuerabzug aus korrigier­ten Rechnungen ab, sollten Unter­nehmen die Möglichkeit eines Ein­spruchs oder Änderungsantrags mit Verweis auf die EuGH- und BFH-Urteile prüfen. Gute Aussichten haben Firmen, wenn Steuerbescheide noch unter dem Vorbehalt der Nachprü­fung stehen, offengehalten wurden oder die Einspruchsfristen noch nicht abgelaufen sind. Selbst bei bestands­kräftigen Bescheiden muss ein abge­lehnter Vorsteuerabzug nicht das letzte Wort sein. Ob auch hier An­spruch auf rückwirkenden Vorsteuer­abzug besteht, ist rechtlich unklar.

Eine Rechnungskorrektur erfolgt immer durch den Rechnungssteller. Empfänger sollten darauf achten, dass fehlerhafte oder fehlende Anga­ben immer mit einem gesonderten Ergänzungsdokument berichtigt wer­den. Es genügt ein einfaches Schrei­ben, das sich eindeutig auf die Rech­nung bezieht sowie die ursprüngliche Rechnungsnummer und das Rech­nungsdatum nennt. Auf gar keinen Fall sollte die ursprüngliche Rech­nung storniert und neu ausgestellt werden. Schnell ist das Ursprungsdo­kument steuerlich nicht mehr von Be­lang und das Finanzamt könnte das neue Dokument als Erstrechnung werten. Ein rückwirkender Vorsteuer­abzug wäre in diesem Fall ausge­schlossen. Die Frage, bis wann Unter­nehmen eine Rechnungsberichti­gung spätestens vornehmen müssen, hatte der EuGH offen gelassen. Der BFH sogt in seinem aktuellen Urteil mit einer steuerzahlerfreundlichen Regelung für Klarheit. Rechnungs­empfänger können korrigierte Rech­nungsdokumente noch bis zum Ab­schluss einer mündlichen Verhand­lung vorlegen.

Die aktuelle Rechtsprechung hat für Rechnungsempfänger auch eine Kehrseite: Zwar fallen bei einer rück­wirkenden Korrektur keine Nachzah­lungszinsen an. Gleichwohl könnte die Finanzverwaltung laut EuGH Fir­men für den Vorsteuerabzug aus for­mal falschen Rechnungen künftig sanktionieren, etwa in Form einer Geldbuße.

Quelle: Baustoffmarkt

Korrespondenz mit:

Martina Dapper
Steuerberaterin
Tel.: 02166 971-114
Fax: 02166 971-123
E-Mail: mdapper@wws-mg.de

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