03.2015

Status von GmbH-Chefs prüfen

SOZIALVERSICHERUNGSRECHT \\ Selbstständig oder angestellt? Jetzt gelten neue rechtliche Bedingungen, ob GmbH-Chefs sozialabgabenpflichtig sind oder nicht. Was in der Praxis zu beachten ist, welche Fälle problematisch sind und wie Unternehmen und Geschäftsführer sich vor unangenehmen Überraschungen schützen.

Manchmal scheinen die Din­ge klar zu sein. Ein Gesell­schaftergeschäftsführer hält 49,71 % der Geschäftsanteile „seiner“ GmbH. Er verfügt über umfassende Bran­chenkenntnisse, kann seine Arbeitszeit frei einteilen und erhält von der Gesell­schafterversammlung keine Einzelanwei­sungen. Obendrein pflegt er die wichti­gen Kundenkontakte. Somit ist er „der Mann im Unternehmen“ und selbststän­dig. Oder? Das Sozialgericht Dortmund (Urteil vom 21.3.2014, Az.: S 34 R 580/13) hatte bei dem betreffenden Geschäftsfüh­rer einer Softwarefirma Zweifel und verneinte letztlich die Selbststän­digkeit.

Viele Faktoren im Spiel

Geschäftsfüh­rer abhängig beschäf­tigt oder selbststän­dig ist, richtet sich nach dem Gesamt­bild der Tätigkeit. Für eine abhängige Beschäftigung spre­chen Indizien wie die Eingliederung in den Betrieb und die Weisungs abhängigkeit hinsicht­lich Zeit, Dauer, Art und Ort der Tätigkeit. Eine selbstständige Tätigkeit hingegen wird durch das eigene Unter­nehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

Doch trotz einer Fülle von Indizien, welche die Rechtsprechung im Laufe der Jahre entwickelt hat, ist eine stimmige Ein­ordnung alles andere als einfach. Vor allem reicht es nicht aus, darauf abzustellen, wel­che Indizien zahlenmäßig überwiegen.

Es ist nicht allein maßgeblich, wie die tatsächlichenVerhältnisse im Unternehmen sind und wie frei der Geschäftsführer schaltet und waltet. Für die Abgrenzung zwischen abhängigem Beschäftigungsverhältnis und selbststän­diger Tätigkeit wird neben den tatsäch­lichen Verhältnissen nun auch der soge­nannten „Rechtsmacht“ unter Heranzie­hung des bestehenden Geschäftsführer- anstellungsvertrages und der Satzung derGesellschaft besondere Bedeutung beige­messen. Grundlage hierfür sind 2 Entschei­dungen des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2012.

Richter lehnen "Schönwetter-Selbstständigkeit" ab

In der ersten Entscheidung des Bun­dessozialgerichts (Az.: B 12 KR 25/10 R) hatte der alleinige Gesellschafterge­schäftsführer eines Maschinenbauunter­nehmens seinem Sohn, der als Betriebs­leiter im Unternehmen tätig und mithin weder Gesellschafter noch Geschäftsfüh­rer war, per Gesellschafterbeschluss eine Gewinntantieme zusagt.

Er wurde vom Selbstkontrahierungs­verbot befreit und auf das Weisungsrecht ihm gegenüber wurde verzichtet. Trotz der familiären Bindung und des vom Vater erklärten teilweisen Verzichts auf die Ausübung des Weisungsrechts bejahte das Gericht die Sozialversi­cherungspflicht des Sohnes.

In dem zweiten Fall (Az.: B 12 R 14/10 R) wurde die Selbstständig­keit des Sohnes einer minderbeteilig­ten Kommanditistin an einer GmbH & Co. KG verneint, weil dieser zum einen „nur“ ein Fremdgeschäftsführer war und ihm zudem auch die gesellschaffsrechtli­chen Verhältnisse nicht die Möglichkeit gaben, wie ein Alleingesellschaffer frei zu entscheiden.

Die vorgenannten Gerichtsent­scheidungen erstaunten, da bisher bei Familiengesellschaften im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Einord­nung auch auf die familiäre Bindung abgestellt wurde. Der zukünftige „Unter­nehmenserbe“, der das Familienunter­nehmen faktisch bereits wie ein Allein­inhaber führt und dem aufgrund der familiären Verbundenheit keine Weisungen erteilt werden, war in der Regel selbstständig.

Jetzt sind bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbst­ständiger Tätigkeit zwar auch die tatsäch­lichen Verhältnisse zu beachten. Ihnen kommt aber nicht per se der Vorrang vor den vertraglichen Regelungen zu. Andern­falls würde die sozialversicherungsrecht­liche Statusfeststellung von der jeweiligen „Stimmung“ in der Familie abhängen.

In Zeiten von „Liebe und Harmonie“ wäre die Selbstständigkeit zu bejahen. In Phasen von familiären Zerwürfnissen aber, in denen der Geschäftsführer auf­grund seiner rechtlichen Stellung nicht in der Lage ist, Weisungen zu ignorieren, wäre die Selbstständigkeit zu vereinen. Eine solche „Schönwetter-Selbstständig­keit“ kann es nach Auffassung des Bun­dessozialgerichts nicht geben.

Neue Richtlinie für die Sozialversicherung

Aufgrund der neueren Rechtsprechung haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung nun ihre Richtlinien angepasst. Seit April 2014 existiert eine modifizierte Version der Grundsätze zur Statusbeurteilung von Erwerbstätigen in GmbHs. Demnach soll weiterhin eine Gesamtbetrachtung des Beschäftigungs­verhältnisses vollzogen werden. Diese hat jedoch unter Berücksichti­gung der Regelungen des GmbH-Geset- zes und der gesellschaffsrechtlichen Rege­lungen bzw. Vereinbarungen zu erfolgen.

Zudem unterscheiden sich Geschäftsfüh­rer einer Familiengesellschaft bei der ver­sicherungsrechtlichen Beurteilung nicht mehr von den „sonstigen“ Geschäftsfüh­rern.

Entscheidend ist, ob der betreffen­de Geschäftsführer die Rechtsmacht hat. Zentral ist die Frage, ob er Entscheidun­gen der Gesellschafterversammlung ver­hindern kann. Diese Rechtsmacht besteht entweder bereits aufgrund der Kapitalbe­teiligung, mithin bei einem Mehrheitsge­sellschafter. Oder, wenn eine umfassende Sperrminorität vertraglich vereinbart wur­de, also Entscheidungen der Gesellschaf­terversammlung auch der Zustimmung des Minderheitsgesellschafters bedürfen.

Machtbefugnisse vertraglich regeln

Die neue Richtlinie dürfte Folgen für künf­tige Statusbeurteilungen haben. Geschäfts­führer und Unternehmer sind gut beraten, sich die Geschäftsführeranstellungsverträ­ge und die Satzung der Gesellschaft genau anzusehen. Allein der Umstand, dass der Geschäftsführer aufgrund mündlicher Abreden bisher autonom agieren konnte, könnte unerheblich werden.

Dies ist dann der Fall, wenn einem Geschäftsführer aufgrund der vertragli­chen Regelungen der eingeräumte Spiel­raum jederzeit entzogen werden kann. Zudem ist eine mündliche Absprache, die im Widerspruch zu den ursprünglich ver­traglich fixierten Vereinbarungen steht nur dann rechtlich relevant, wenn eine formlose Außerkraftsetzung der vertrag­lichen Vereinbarung möglich ist.

Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass Beschlüsse der Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedürfen, dürfte eine mündliche Absprache, wonach zur Beschlussfassung die Zustimmung des Minderheitsgesell­schaftergeschäftsführers erforderlich ist, unerheblich sein.

Denn eine Satzungsänderung ist nur bei einer notariellen Beurkundung wirk­sam. Änderungen lassen sich nicht ein­fach formlos herbeiführen. Der Geschäfts­führeranstellungsvertrag kann auch nicht mehr Kompetenzen vermitteln, als der Gesellschaftervertrag zulässt.

Wenn im Unternehmen Einigkeit dar­über besteht, welche „Machtbefugnisse“ dem Geschäftsführer eingeräumt wer­den, sollten die vertraglichen Regelun­gen dies widerspiegeln. Unternehmer und Geschäftsführer sollten daher darauf ach­ten, dass die Verträge im Einklang zuein­ander und zu den tatsächlichen Verhält­nissen stehen sowie die erforderliche Form eingehalten wird.

Quelle: Baugewerbe

 

Korrespondenz mit:

Rebecca De Conno

Rebekka De Conno, LL.M.

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Tel.: 02166 971-128
Fax: 02166 971-173
rdeconno@wws-mg.de

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