11.2014

Sozialversicherungsrechtlichen Status von GmbH-Chefs prüfen

Selbstständig oder angestellt? Jetzt gelten neue rechtliche Bedingungen, ob GmbH-Chefs sozialabgabenpflichtig sind oder nicht. Was in der Praxis zu beachten ist, welche Fälle problematisch sind und wie Unternehmen und Geschäftsführer sich vor unangenehmen Überraschungen schützen.

Manchmal scheinen die Dinge klar zu sein. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer hält 49,71% der Geschäftsanteile „seiner" GmbH. Er verfügt über umfassendeBranchenkenntnisse, kann seine Arbeitszeit frei einteilen und erhält von der Gesellschafterversammlung keine Einzelanweisungen. Obendrein pflegt er die wichtigen Kundenkontakte. Somit ist er „der Mann im Unternehmen" und selbstständig. Oder? Das Sozialgericht Dortmund (Urteil vom 21.03.2014, Az.: S 34 R 580/13) hatte bei dem betreffenden Geschäftsführer einer Softwarefirma Zweifel und verneinte letztlich die Selbstständigkeit.

Viele Faktoren im Spiel

Ob ein Geschäftsführer abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Tätigkeit. Für eine abhängige Beschäftigung sprechen Indizien wie die Eingliederung in den Betrieb und die Weisungsabhängigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer, Art und Ort der Tätigkeit. Eine selbstständige Tätigkeit hingegen ist durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Doch trotz einer Fülle von Indizien, welche die Rechtsprechung im Laufe der Jahre entwickelt hat, ist eine stimmige Einordnung alles andere als einfach. Vor allem reicht es nicht aus, darauf abzustellen, welche Indizien zahlenmäßig überwiegen. Es ist nicht allein maßgeblich, wie die tatsächlichen Verhältnisse im Unternehmen sind und wie frei der Geschäftsführer schaltet und waltet. Für die Abgrenzung zwischen abhängigem Beschäftigungsverhältnis und selbstständiger Tätigkeit wird neben den tatsächlichen Verhältnissen nun auch der sogenannten „Rechtsmacht" unter Heranziehung des bestehenden Geschäftsführeranstellungsvertrages und der Satzung der Gesellschaft besondere Bedeutung beigemessen. Grundlage hierfür sind zwei Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2012.

Richter lehnen „Schönwetter-Selbstständigkeit" ab

In der ersten Entscheidung des BSG (Az.: B 12 KR 25/10 R) hatte der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer eines Maschinenbauunternehmens seinem Sohn, der als Betriebsleiter im Unternehmen tätig und mithin weder Gesellschafter noch Geschäftsführer war, per Gesellschafterbeschluss eine Gewinntantieme zusagt. Er wurde vom Selbstkontrahierungsverbot befreit und auf das Weisungsrecht ihm gegenüber wurde verzichtet. Trotz der familiären Bindung und des vom Vater erklärten teilweisen Verzichts auf die Ausübung des Weisungsrechts bejahte das Gericht die Sozialversicherungspflicht des Sohnes. In dem zweiten Fall (Az.: B 12 R 14/10 R) wurde die Selbstständigkeit des Sohnes einer minderbeteiligten Kommanditistin an einer GmbH & Co. KG verneint, weil dieser zum einen „nur" ein Fremdgeschäftsführer war und zudem auch die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse ihm nicht die Möglichkeit gaben, wie ein Alleingesellschafter frei zu entscheiden.

Die vorgenannten Gerichtsentscheidungen erstaunten, da bisher bei Familiengesellschaften im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung auch auf die familiäre Bindung abgestellt wurde. Der zukünftige „Unternehmenserbe", der das Familienunternehmen faktisch bereits wie ein Alleininhaber führt und dem aufgrund der familiären Verbundenheit keine Weisungen erteilt werden, war in der Regel selbstständig.Jetzt sind bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit zwar auch die tatsächlichen Verhältnisse zu beachten. Ihnen kommt aber nicht per se der Vorrang vor den vertraglichen Regelungen zu. Andernfalls würde die sozi­alversicherungsrechtliche Statusfeststellung von der jeweiligen „Stimmung" in der Familie abhängen. In Zeiten von „Liebe und Harmonie" wäre die Selbstständigkeit zu bejahen. In Phasen von familiären Zerwürfnissen aber, in denen der Geschäftsführer aufgrund seiner rechtlichen Stellung nicht in der Lage ist, Weisungen zu ignorieren, wäre die Selbstständigkeit zu vereinen. Eine solche „Schönwetter-Selbstständigkeit" kann es nach Auffassung des BSG nicht geben.

Neue Richtlinie für die Sozialversicherung

Aufgrund der neueren Rechtsprechung haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung nun ihre Richtlinien angepasst. Seit April 2014 existiert eine modifizierte Version der Grundsätze zur Statusbeurteilung von Erwerbstätigen in GmbHs. Demnach soll weiterhin eine Gesamtbetrachtung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen. Diese hat jedoch unter Berücksichtigung der Regelungen des GmbH-Gesetzes und der gesellschaftsrechtlichen Regelungen bzw. Vereinbarungen zu erfolgen. Zudem unterscheiden sich Geschäftsführer einer Familiengesellschaft bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung nicht mehr von den „sonstigen" Geschäftsführern.
Entscheidend ist, ob der betreffende Geschäftsführer die Rechtsmacht hat. Zentral ist die Frage, ob er Entscheidungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann. Diese Rechtsmacht besteht entweder bereits aufgrund der Kapitalbeteiligung, mithin bei einem Mehrheitsgesellschafter. Oder wenn eine umfassende Sperrminorität vertraglich vereinbart wurde, also Entscheidungen der Gesellschafterversammlung auch der Zustimmung des Minderheitsgesellschafters bedürfen.

Machtbefugnisse vertraglich regeln

Die neue Richtlinie dürfte Folgen für künftige Statusbeurteilungen haben. Geschäftsführer und Unternehmer sind gut darin beraten, sich die Geschäftsführeranstellungsverträge und die Satzung der Gesellschaft genau anzusehen. Allein der Umstand, dass der Geschäftsführer aufgrund mündlicher Abreden bisher autonom agieren konnte, könnte unerheblich werden. Dies ist dann der Fall, wenn einem Geschäftsführer aufgrund der vertraglichen Regelungen der eingeräumte Spielraum jederzeit entzogen werden kann. Zudem ist eine mündliche Absprache, die im Widerspruch zu den ursprünglich vertraglich fixierten Vereinbarungen steht, nur dann rechtlich relevant, wenn eine formlose Außerkraftsetzung der vertraglichen Vereinbarung möglich ist. Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass Beschlüsse der Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedürfen, dürfte eine mündliche Absprache, wonach zur Beschlussfassung die Zustimmung des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers erforderlich ist, unerheblich sein. Denn eine Satzungsänderung ist nur bei einer notariellen Beurkundung wirksam. Änderungen lassen sich nicht einfach formlos herbeiführen. Der Geschäftsführeranstellungsvertrag kann auch nicht mehr Kompetenzen vermitteln, als der Gesellschaftervertrag zulässt.

Wenn im Unternehmen Einigkeit darüber besteht, welche „Machtbefugnisse" dem Geschäftsführer eingeräumt werden, sollten die vertraglichen Regelungen dies widerspiegeln. Unternehmer und Geschäftsführer sollten daher darauf achten, dass die Verträge im Einklang zueinander und zu den tatsächlichen Verhältnissen stehen sowie die erforderliche Form eingehalten wird.

Clearingverfahren bringt Rechtssicherheit

Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung bietet die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens an, um in Zweifelsfällen Rechtssicherheit zu erlangen. Sollte sich im Rahmen einer Statusfeststellung herausstellen, dass ein als selbstständig tätig geglaubter Geschäftsführer de facto versicherungspflichtig beschäftigt war, drohen dem betroffenen Unternehmen Beitragsnachzahlungen. Umgekehrt haben Geschäftsführer, bei denen wider Erwarten keine Sozialversicherungspflicht vorlag, unter Umständen keinen Anspruch auf Leistungen aus der Sozialversicherung. In diesem Status-feststellungsverfahren können sich die Beteiligten nach neuester Rechtsprechung des BSG nicht von einem Steuerberater vertreten lassen (Urteil vom 05.03.2014, Az.: B 12 R 7/12R). Soweit bereits ein Statusfeststellungsbescheid vorliegt, kann dieser je nach Inhalt und Zeitpunkt des Erlasses eventuell Bestandsschutz genießen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass im Rahmen von Betriebsprüfungen aufgrund der neuen Rechtsprechung „Altfälle" wieder aufgegriffen und neu geprüft werden. Vor allem die Unternehmen als potenzielle Schuldner von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen sollten jetzt ihre bestehenden Verträge im Lichte der Rechtsprechungsentwicklung kritisch hinterfragen und gegebenenfalls rechtlichen Beistand einholen

Quelle: ASSCompact
 
Korrespondenz mit:

Rebecca De Conno

Rebekka De Conno, LL.M.

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Tel.: 02166 971-128
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rdeconno@wws-mg.de

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