02.2016

Sozialversicherungsrechtlichen Status eines GmbH-Chefs prüfen

Selbstständig oder angestellt? Zur Frage, ob GmbH-Chefs sozial­abgabenpflichtig sind oder nicht, haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung ihre Richt­linien angepasst. Was in der Praxis zu beachten ist, welche Fälle problematisch sind und wie Unter­nehmen und Geschäftsführer sich vor unangenehmen Über­raschungen schützen.

Manchmal scheinen die Dinge klar zu sein, ein Gesell­schafter-Geschäftsführer hält 49,71% der Geschäftsanteile »seiner« GmbH. Er verfügt über umfassende Branchenkenntnis­se, kann seine Arbeitszeit frei einteilen und erhält von der Ge­sellschafterversammlung keine Einzelanweisungen. Obendrein pflegt er die wichtigen Kunden­kontakte. Somit ist er »der Mann« im Unternehmen und selbststän­dig. Das Sozialgericht Dortmund (Urteil vom 21.3.2014. Az.: S 34 R 580/13) hatte beim Geschäfts­führer einer Softwarefirma Zwei­fel und verneinte die Selbststän­digkeit.

Viele Faktoren im Spiel

Ob ein Geschäftsführer abhängig beschäftigt oder selbstständig ist, richtet sich nach dem Ge­samtbild der Tätigkeit. Für eine abhängige Beschäftigung spre­chen Indizien wie die Eingliede­rung in den Betrieb und die Wei­sungsabhängigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer, Art und Ort der Tätig­keit. Eine selbstständige Tätig­keit hingegen wird durch das ei­gene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tä­tigkeit und Arbeitszeit gekenn­zeichnet. Doch trotz einer Fülle von Indizien, die die Rechtspre­chung im Laufe der Jahre entwi­ckelt hat, ist eine stimmige Ein­ordnung alles andere als einfach. Vor allem reicht es nicht aus, darauf abzustellen, welche Indizien zahlenmäßig überwiegen.

Es ist nicht allein maßgeb­lich, wie die tatsächlichen Ver­hältnisse im Unternehmen sind und wie frei der Geschäftsführer schaltet und waltet. Für die Ab­grenzung zwischen abhängigem Beschäftigungsverhältnis und selbstständiger Tätigkeit wird neben den tatsächlichen Verhält­nissen nun auch der sogenann­ten »Rechtsmacht« unter Heran­ziehung des bestehenden Geschäftsführer­anstellungsvertra­ges und der Satzung der Gesellschaft besondere Bedeutung bei­gemessen. Grundlage hierfür sind zwei Entscheidungen des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2012.

Richter lehnen »Schönwetter-Selbstständigkeit« ab

In der ersten Entscheidung des Bundessozialgerichts (Az.: B 12 KR 25/10 R) hatte der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer eines Maschinenbauunterneh­mens seinem Sohn, der als Be­triebsleiter im Unternehmen tä­tig und mithin weder Gesell­schafter noch Geschäftsführer war, per Gesellschafterbeschluss eine Gewinntantieme zusagt. Er wurde vom Selbstkontrahie­rungsverbot befreit und auf das Weisungsrecht ihm gegenüber wurde verzichtet. Trotz der fami­liären Bindung und des vom Va­ter erklärten teilweisen Ver­zichts auf die Ausübung des Wei­sungsrechts bejahte das Gericht die Sozialversicherungspflicht des Sohnes.

Im zweiten Fall (Az.: B 12 R 14/10 R) wurde die Selbststän­digkeit des Sohnes einer minderbeteiligten Kommanditistin an einer GmbH & Co. KG verneint, weil dieser zum einen nur ein Fremdgeschäftsführer war und zudem auch die gesellschafts­rechtlichen Verhältnisse ihm nicht die Möglichkeit gaben, wie ein Alleingesellschafter frei zu entscheiden.

Die Gerichtsentscheidungen erstaunten, da bisher bei Famili­engesellschaften im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung auch auf die familiä­re Bindung abgestellt wurde. Der künftige »Unternehmenserbe«, der das Familienunternehmen faktisch bereits wie ein Alleinin­haber führt und dem aufgrund der familiären Verbundenheit keine Weisungen erteilt werden, war in der Regel selbstständig.

Jetzt sind bei der Abgren­zung von abhängiger Beschäfti­gung und selbstständiger Tätig­keit zwar auch die tatsächlichen Verhältnisse zu beachten. Ihnen kommt aber nicht per se der Vor­rang vor den vertraglichen Rege­lungen zu. Andernfalls würde die sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellung von der jewei­ligen »Stimmung« in der Familie abhängen. In Zeiten von »Liebe und Harmonie« wäre die Selbst­ständigkeit zu bejahen, in Pha­sen familiärer Zerwürfnisse aber, in denen der Geschäftsführer aufgrund der rechtlichen Stel­lung nicht in der Lage ist Wei­sungen zu ignorieren, wäre die Selbstständigkeitzu vereinen. Ei­ne solche »Schönwetter-Selbst­ständigkeit« kann es nach Auffas­sung des Bundessozialgerichts nicht geben.

Überarbeitete Richtlinie für die Sozialversicherung

Aufgrund der neueren Recht­sprechung haben die Spitzenor­ganisationen der Sozialversiche­rung ihre Richtlinien angepasst. Seit 2014 existiert eine modifi­zierte Version der Grundsätze zur Statusbeurteilung von Er­werbstätigen in einer GmbH. Demnach soll weiterhin eine Ge­samtbetrachtung des Beschäfti­gungsverhältnisses erfolgen. Diese hat unter Berücksichti­gung der Regelungen des GmbH-Gesetzes und der gesellschafts­rechtlichen Regelungen bzw. Ver­einbarungen zu erfolgen. Zudem unterscheiden sich Geschäfts­führer einer Familiengesell­schaft bei der versicherungs­rechtlichen Beurteilung nicht mehr von »sonstigen« Geschäfts­führern.

Entscheidend ist, ob der be­treffende Geschäftsführer die Rechtsmacht hat. Zentral ist die Frage, ob er Entscheidungen der Gesellschafterversammlung ver­hindern kann. Diese Rechts­macht besteht entweder bereits aufgrund der Kapitalbeteiligung, mithin bei einem Mehrheitsge­sellschafter. Oder, wenn eine um­fassende Sperrminorität vertraglich vereinbart wurde, also Entscheidungen der Gesellschaf­terversammlung auch der Zustimmung des Minderheitsge­sellschafters bedürfen.

Machtbefugnisse vertraglich regeln

Geschäftsführer und Unterneh­mer sind gut darin beraten, sich die Geschäftsführeranstellungsverträge und die Satzung der Ge­sellschaft genau anzusehen. Al­lein der Umstand, dass der Ge­schäftsführer aufgrund mündli­cher Abreden bisher autonom agieren konnte, könnte unerheb­lich werden. Dies ist dann der Fall, wenn einem Geschäftsfüh­rer aufgrund der vertraglichen Regelungen der eingeräumte Spielraum jederzeit entzogen werden kann. Zudem ist eine mündliche Absprache, die im Wi­derspruch zu den ursprünglich vertraglich fixierten Vereinba­rungen steht nur dann rechtlich relevant, wenn eine formlose Au­ßerkraftsetzung der vertragli­chen Vereinbarung möglich ist. Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass Beschlüsse der Mehr­heit der abgegebenen Stimmen bedürfen, dürfte eine mündliche Absprache, wonach zur Be­schlussfassung die Zustimmung des Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers erforderlich ist, unerheblich sein. Denn eine Sat­zungsänderung ist nur bei einer notariellen Beurkundung wirk­sam. Änderungen lassen sich nicht einfach formlos herbeifüh­ren. Der Geschäftsführeranstel­lungsvertrag kann auch nicht mehr Kompetenzen vermitteln, als der Gesellschaftervertrag zu­lässt.

Wenn im Unternehmen Ei­nigkeit darüber besteht, welche »Machtbefugnisse« dem Ge­schäftsführer eingeräumt wer­den, sollten die vertraglichen Re­gelungen dies widerspiegeln. Un­ternehmer und Geschäftsführer sollten daher darauf achten, dass die Verträge im Einklang zuei­nander und zu den tatsächlichen Verhältnissen stehen sowie die erforderliche Form eingehalten wird.

Clearingverfahren bringt Rechtssicherheit

Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung bietet die Durchführung eines Statusfest­stellungsverfahrens an, um in Zweifelsfällen Rechtssicherheit zu erlangen. Sollte sich im Rah­men einer Statusfeststellung he­rausstellen, dass ein als selbst­ständig tätig geglaubter Ge­schäftsführer de facto Versiche­rungspflichtig beschäftigt war, drohen dem betroffenen Unter­nehmen Beitragsnachzahlungen. Umgekehrt haben Geschäftsfüh­rer, bei denen wider Erwarten keine Sozialversicherungspflicht vorlag, unter Umständen keinen Anspruch auf Leistungen aus der Sozialversicherung.

In diesem Statusfeststel­lungsverfahren können sich die Beteiligten nach neuster Recht­sprechung des Bundessozialge­richts nicht von einem Steuerbe­rater vertreten lassen (Urteil vom 5.3.2014, Az.: B 12 R 7/12R). Soweit bereits ein Sta­tusfeststellungsbescheid vor­liegt, kann dieser je nach Inhalt und Zeitpunkt des Erlasses even­tuell Bestandschutz genießen. Es ist jedoch nicht auszuschlie­ßen, dass im Rahmen von Be­triebsprüfungen aufgrund der neueren Rechtsprechung »Altfäl­le« wieder aufgegriffen und neu geprüft werden. Vor allem die Unternehmen als potenzielle Schuldner von Sozialversiche­rungsbeiträgen und Säumniszu­schlägen sollten ihre bestehen­den Verträge kritisch hinterfra­gen und gegebenenfalls rechtli­chen Beistand einholen.

Quelle: Bau Magazin

 

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Portrait & Vita
Rebekka De Conno
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
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