02.2020
Richtige Gefährdungsbeurteilung senkt Haftungsrisiko
Beschäftigte im Baugewerbe sind in überdurchschnittlichem Maße Gefahren ausgesetzt. Arbeitgeber sind dazu verpflichtet, dass Mitarbeiter auf der Baustelle die Rechtsvorschriften des Arbeitsschutzes einhalten. Bei Verstößen und daraus resultierenden Personenschäden kann die Berufsgenossenschaft Verantwortliche bei fahrlässigem Verhalten in Regress nehmen.
Gegenpartei muss Gegenteil beweisen
Wurden jedoch die einschlägigen Vorschriften gemäß Betriebssicherheitsverordnung, gesetzlicher Unfallversicherung sowie den technischen Regeln und Richtlinien der Fachverbände eingehalten, gestaltet sich die Haftungsfrage schwierig. Sofern sich der Arbeitgeber bei der Durchführung von Schutzmaßnahmen an die technischen Regeln für Betriebssicherheit des Bundesarbeitsministeriums für den betreffenden Bereich (www.baua.de/trbs) hält, dann gilt zunächst zu seinen Gunsten, dass er die Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung eingehalten hat. Der Gegenpartei bleibt aber die Möglichkeit, das Gegenteil zu beweisen. Aussicht auf Erfolg hat eine Beweisführung in der Regel nur auf der Grundlage eines ausführlichen Sachverständigengutachtens.
Zentraler Ansatzpunkt ist in solchen Fällen meist die Frage, ob bezüglich der unfallrelevanten Tätigkeit die Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Dabei sind Sachverständige auf nachvollziehbare Unterlagen des betreffenden Betriebes angewiesen. Insofern werden Gutachter Zugriff auf alle verfügbaren Dokumente beanspruchen. Bei unvollständiger oder gar fehlender Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung ergibt sich hier bereits ein wichtiger Ansatzpunkt in Richtung nicht ordnungsgemäßer Durchführung. Wichtiger Prüfpunkt ist zunächst, ob die Gefährdungsbeurteilung relevante Rechtsquellen wie Normen, Dokumente und arbeitsmedizinische Quellen berücksichtigt. Sind die Quellen nicht aufschlussreich, ergibt sich auch hier ein Anknüpfungspunkt, um der Unfallursache auf den Grund zu gehen.
Genaue Plausibilitätsprüfung erforderlich
Von zentraler Bedeutung ist die Frage, ob die Gefährdungsbeurteilung und der daraus resultierende Maßnahmenkatalog in angemessener Weise zustande gekommen sind. Die Beantwortung erfordert eine genaue Plausibilitätsprüfung, für die es jedoch keine offizielle Formvorgabe gibt. Qualifizierte Prüfkriterien enthält etwa die „Handlungsanleitung zur Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung" des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik. Demnach ist etwa zu ermitteln, ob sicherheitsrelevante Zusammenhänge zwischen Arbeitsplatz, Arbeitsmittel, Arbeitsverfahren, Arbeitsorganisation, Arbeitsablauf, Arbeitszeit und Arbeitsaufgabe beurteilt worden sind.
Wichtig ist auch, ob auftretende Gefährdungen zutreffend ermittelt und beurteilt sowie Schutzmaßnahmen und Verantwortliche für die Durchführung festgelegt wurden. Darüber hinaus ist zu klären, ob die festgelegten Maßnahmen dem jeweils aktuellen Stand der Technik entsprechen, umgesetzt und auf Wirksamkeit geprüft wurden.
Kann der Sachverständige dem Arbeitgeber kein Verschulden nachweisen, wird ein weiteres Gutachten die Ursachen für den Unfall klären müssen. Denkbar ist hier etwa menschliches Versagen eines Kollegen. Hat dieser erwiesenermaßen vorsätzlich gehandelt, kann er für entstandene Personenschäden haftbar gemacht werden. Möglich ist auch, dass dem Hersteller eingesetzter Arbeitsmittel ein Produktmangel nachgewiesen werden kann. Dann kommt eine Regressforderung im Rahmen der Produkthaftung in Betracht. Nicht zuletzt kann eine Unfallursache auch in einer nicht ordnungsgemäß durchgeführten Gefährdungsbeurteilung eines externen Sicherheitsbeauftragten liegen. In solchen Fällen haftet der Dienstleister im Rahmen des Auftragsverhältnisses.
Das Thema Gefährdungsbeurteilung ist eine komplexe Angelegenheit, die sich hier nicht in allen Facetten darstellen lässt. Betroffene sollten immer auf Nummer sicher gehen und fachlichen Rat einholen. Nur so ist gewährleistet, dass alle relevanten Aspekte Berücksichtigung finden und die Haftungsfrage angemessen geklärt wird.
Quelle: Arbeitsschutz - aber sicher!
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