03.2016
Praxisübertragung richtig planen
Das neue Versorgungsstärkungsgesetz schränkt die Übertragung von Vertragsarztsitzen ein. Ist die medizinische Versorgung in einem Planungsbereich bereits mehr als ausreichend gewährleistet, soll der Zulassungsausschuss zukünftig Vertragsarztsitze einziehen. Was Praxisinhaber wissen sollten, welche Fallstricke lauern und wie sie die Nachfolge sinnvoll umsetzen.
Für viele Arztpraxen dürfte das Versorgungsstärkungsgesetz künftig das Aus bedeuten. Bis Juli 2015 galt für die Einziehung von Vertragsarztsitzen im Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahren eine Kann-Regelung, die von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) nur in Einzelfällen angewendet wurde. Daraus hat der Gesetzgeber jetzt eine SoII-Bestimmung gemacht. Demnach sollen die KVs Praxisübergaben in überversorgten Bereichen konsequent unterbinden und betroffene Arzte entsprechend entschädigen, jedoch nur nach dem aktuellen Verkehrswert. Betroffene sollten frühzeitig prüfen, ob eine Nachbesetzung in Frage kommt und gegebenenfalls alternative Gestaltungsmodelle für die Praxisübergabe in Betracht ziehen.
Zweistufiges Verfahren
Verträge für eine Praxisübernahme basieren immer auf der KV-Zulassung des Übernehmers. Ist sich ein Praxisabgeber mit einem Interessenten über den Kauf seiner Praxis einig geworden, so ist Gegenstand der Vereinbarung grundsätzlich auch die Verpflichtung des Praxisabgebers, seine vertragsärztliche Zulassung ausschreiben zu lassen. Unter dieser Voraussetzung kann der Kaufinteressent sich auf die ausgeschriebene KV-Zulassung bewerben und seihst zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden.
Das Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahren läuft zweistufig ab. Der Praxisabgeber stellt zunächst beim zuständigen Zulassungsausschuss den Antrag auf Genehmigung der Ausschreibung seiner vertragsärztlichen Zulassung. Das hierfür erforderliche Fonnular können Ärzte auf der Homepage ihrer Kassenärztlichen Vereinigung herunterladen. Als Bewerbungsfrist ist - wenn ein Kaufinteressent bereits gefunden ist - immer die Wochenfrist zu wählen, um anderen Bewerbern zu signalisieren, dass bereits ein Nachfolger zur Verfügung steht. Wichtig: Die Erklärung auf Verzicht des Versorgungsauftrages sollte immer unter dem Vorbehalt erfolgen, dass ein Nachfolger bestandskräftig zugelassen wird. Nur so kann verhindert werden, dass die Zulassung verloren geht, wenn der Zulassungsausschuss eine Nachbesetzung ablehnt. Denn nach einer ablehnenden Entscheidung können Arzte ihren Antrag nicht mehr zurücknehmen.
Genehmigt die KV den Ausschreibungsantrag, wird die KV-Zulassung ausgeschrieben und nach Ablauf der Bewerbungsfrist in einer zweiten Sitzung über die Nachbesetzung der KV-Zulassung entschieden. Liegt in einem Planungsbereich eine Überversorgung vor, soll der Zulassungsausschuss den Antrag nach dem neuen Versorgungsstärkungsgesetz ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Eine Überversorgung liegt bei einem Versorgungsgrad der jeweiligen Arztgruppe von mindestens 140 Prozent vor. Die Einziehung soll die Regel, der Verbleib der KV-Zulassung die Ausnahme sein.
Ausnahmen von der Regel
In bestimmten Ausnahmefällen gelten Bewerber als privilegiert. Dann darf der Zulassungsausschuss einen Ausschreibungsantrag nicht ablehnen. Privilegiert sind, wie auch schon in der bisherigen Gesetzgebung, Ehepartner, Lebenspartner und die Kinder des Praxisinhabers.
Eine Ausnahme gilt auch beim so genannten „Jobsharing“. Hat der Übernehmer für die Dauer von mindestens drei Jahren mit dem Abgeber kooperiert, also mit diesem als Mitgesellschafter oder Angestellter zusammengearbeitet, gilt er als privilegiert. Bisher genügte eine Zusammenarbeit von ein bis zwei Quartalen. Soweit es sich der Praxisabgeber vorstellen kann, über einen so langen Zeitraum mit einem Kooperationspartner zusammen zu arbeiten, sollte diese Option in Erwägung gezogen werden. Dabei ist es unerheblich, in welchem Umfang der Übernehmer in seiner zukünftigen Praxis gearbeitet hat. Doch Vorsicht: Bei Jobsharing-Praxen ist die Punktezahl aller Leistungen auf das Niveau der letzten vier abgerechneten Quartale vor Begründung des Jobsharing begrenzt.
War der Bewerber für mindestens fünf Jahre in einem unterversorgten Gebiet tätig, liegt ebenfalls ein Ausnahmefall vor. Gleiches gilt, wenn sich der Bewerber dazu bereit erklärt, seinen Sitz von einem überversorgten in ein unterversorgtes Gebiet zu verlegen. Auch in diesen Fällen darf ein Ausschreibungsantrag nicht abgelehnt werden.
Gibt der Zulassungsausschuss dem Ausschreibungsantrag bei Vorliegen einer der beschriebenen Ausnahmen statt, so besteht für den Zulassungsausschuss in einem Sonderfall doch noch die Möglichkeit, die ausgeschriebene KV-Zulassung einzuziehen: Es kann Vorkommen, dass sich neben dem privilegierten Bewerberein weiterer Anwärter bewirbt, der nicht privilegiert ist. Kommt dann der Zulassungsausschuss zu dem Ergebnis, dass dem nicht privilegierten Bewerber der Vorzug zu geben wäre, kann der Zulassungsausschuss die ausgeschriebene Zulassung einziehen. ln solchen Fällen können die übrigen Bewerber bei der KV Widerspruch einlegen und gerichtlich prüfen lassen, ob es im Auswahlverfahren zu Ermessensfehlem gekommen ist und ob die darauf basierende Entscheidung rechtmäßig ist.
Arzte sollten im Vorfeld einer Praxisübergabe bei der KV die Lage sondieren. Um im Vorhinein Klarheit darüber zu haben, ob der Zulassungsausschuss einem Ausschreibungsantrag stattgeben wird, bietet sich in jedem Fall die vertrauliche Vorverständigung mit dem Zulassungsausschuss an. Der Austausch mit den Verantwortlichen sollte möglichst schriftlich erfolgen, um auf diese Weise eine Aktenlage zu schaffen.
Lässt der Zulassungsausschuss erkennen, dass er den Antrag auf Ausschreibung ablehnen wird, sollte der Ausschreibungsantrag sofort zurückgenommen werden. Das Verfahren wird dann eingestellt und Praxisinhaber können alternative Handlungsoptionen in Erwägung ziehen. Die Rücknahme des Ausschreibungsantrages ist noch bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses über den Antrag möglich. Dies sollte möglichst vor dem Sitzungstermin des Zulassungsausschusses erfolgen, in welchem über den Ausschreibungsantrag entschieden wird.
Alternative Rollentausch
Bei schlechten Erfolgsaussichten müssen Praxisübergeber nicht klein beigeben. Zeichnet sich für Abgeber und Übernehmer ab, dass eine Übertragung der Zulassung im Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahren nicht zu realisieren ist, so bietet sich als Alternative das sogenannte „Rollentausch-Modell" an.
Bei dieser Variante verzichtet der Abgeber zu Gunsten eines bereits zugelassenen Dritten auf seine vertragsärztliche Zulassung, welche sich hierdurch in eine Arztstelle wandelt und somit in eine Angestellten-Stelle mit eigenem KV-Budget. Der Abgeber wird dann für ein Quartal in der Praxis des Dritten angestellt und scheidet danach aus der Praxis aus. Die Arztstelle wird im folgenden Quartal mit dem Übernehmer ais Angestelltem des Dritten nachbesetzt. Während dieses Zeitraums stellt der Dritte einen Antrag auf Umwandlung der Arztstelle in eine KV-Zulassung zu Gunsten des Übernehmers. Mit Beginn des dritten Quartals wird der Übernehmer zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und kann dann mit dem Dritten als Mitgesellschafter eine Berufsausübungsgemeinschaft gründen oder seinen Praxissitz an einen anderen Standort verlegen.
Bei diesem Modell erfolgt kein Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahren, so dass eine Einziehung der Vertragsarztzulassung auf diesem Wege nicht möglich ist. Ob der Gesetzgeber dieses Modell zukünftig als zulässige Variante ausschließen wird, bleibt abzuwarten und kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden.
Fazit
Das Thema Praxisnachfolge ist eine komplexe Angelegenheit. Betroffene sollten neben den zivilrechtlichen Vereinbarungen des Kaufvertrages vor allem das öffentlich-rechtliche Verfahren zur Übertragung der KV-Zulassung im Blick behalten. Praxisübergeber sind gut beraten, frühzeitig fachlichen Rat einzuholen. So lassen sich folgenschwere Fallstricke sicher umgehen und rechtzeitig individuell angepasste Gestaltungsmodelle realisieren.
Quelle: Der niedergelassene Arzt
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