Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs kann die Finanzverwaltung die umsatzsteuerliche Organschaft wohl nicht mehr so eng auslegen wie bisher. Im Kern besagt das Urteil, dass Personengesellschaften nun unabhängig von ihren Gesellschaftern finanziell in das Unternehmen einer ihrer Gesellschafter eingegliedert sein können.
Viele Unternehme und Investoren nutzen die sogenannte Personengesellschaft (also GbR, OHG, KG, GmbH & Co. KG etc.), um Beteiligungen oder operative Geschäfte zu organisieren. Besonders häufig in Holding-Strukturen beziehungsweise bei Unternehmensgruppen vorzufinden. Damit sind Organisationen gemeint, deren Betriebszweck darin besteht, Kapitalbeteiligungen an anderen Unternehmen zu halten (Holding-Gesellschaften), oder die unter einem Dach verschiedene Gesellschaften miteinander verknüpfen.
Ein wichtiger Begriff dabei ist die sogenannte umsatzsteuerliche Organschaft. Eine Organschaft ist die Zusammenfassung von rechtlich selbständigen Unternehmen zu einer Besteuerungseinheit. Dabei wird ein rechtlich selbständiges Unternehmen (die Organgesellschaft) in ein anderes rechtlich selbständiges Unternehmen (den Organträger) so integriert, dass die steuerlichen Vorgänge der Organgesellschaft grundsätzlich dem Organträger als eigene zugerechnet werden. Das bedeutet: Unternehmensteile sind umsatzsteuerlich als ein Unternehmen zu behandeln. Die verbundenen Unternehmen erscheinen dadurch insoweit als ein einheitlicher Steuerpflichtiger, ohne ihre rechtliche Selbständigkeit zu verlieren.
„Das kann für Unternehmensgruppen Vorteile oder auch Nachteile haben. Unter anderem bleiben Leistungen zwischen den im Organkreis verbundenen Unternehmen, soweit sie auf das Inland entfallen, als Innenumsätze umsatzsteuerfrei. Je nach Struktur lässt sich ein solcher Organkreis auch gestalten“, sagt Stefan Rattay, Steuerberater bei der multidisziplinären Kanzlei WWS-Gruppe mit Standorten in Mönchengladbach, Aachen und Nettetal.
Wahrscheinlich aus dem Grund, umsatzsteuerliche Gestaltungen durch die Organschaft zu vermeiden, hat die Finanzverwaltung die Definition von Personengesellschaften als Organgesellschaften sehr eng ausgelegt. Danach sollen Personengesellschaften nur dann Organgesellschaften sein können, wenn auch alle anderen Gesellschafter (neben dem Organträger) finanziell in den Organträger eingegliedert sind. Dieser Auffassung hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) widersprochen und die Voraussetzungen, unter denen eine Personengesellschaft umsatzsteuerliche Organgesellschaft sein kann, weiter präzisiert (Urteil vom 15. April 2021, Az.: C-868/19).
Im Kern besagt das Urteil, dass Personengesellschaften nun unabhängig von ihren anderen Gesellschaftern finanziell in das Unternehmen einer ihrer Gesellschafter eingegliedert sein können. Bei juristischen Personen, also AG und GmbH, genügt hierfür die Mehrheit der stimmberechtigenden Anteile. Bei Personengesellschaften kann ein Einstimmigkeitsprinzip die Eingliederung gegebenenfalls weiterhin verhindern, erklärt Stefan Rattay. Wird die umsatzsteuerliche Organschaft angenommen, bedeutet das, dass nur ein Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorliegt und demnach als Organträger alleiniger Steuerschuldner ist, der auch Voranmeldungen und Jahreserklärungen – für den Organkreis – abzugeben hat.
Allerdings betont der WWS-Umsatzsteuerspezialist: Wenn die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft erfüllt seien, sei diese nicht frei wählbar. Es existierten indes Pläne, die umsatzsteuerliche Organschaft künftig von der Ausübung eines Antragswahlrechts abhängig zu machen. Diese Regelung solle nur zur Vermeidung von Steuerumgehungen eingeschränkt werden können. Aus dem EuGH-Urteil entsteht hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Strukturierung also gegebenenfalls Handlungsbedarf. Es sollte individuell geprüft werden, was für die betroffenen Personengesellschaften günstiger ist.
Das bedeutet laut Stefan Rattay: „Die Reaktion der Finanzverwaltung bleibt abzuwarten. Aber Personengesellschaften, denen allein aufgrund der restriktiven Verwaltungsauffassung zur finanziellen Eingliederung die Anerkennung als umsatzsteuerliche Organschaft versagt wurde, können sich unmittelbar auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs berufen. Personengesellschaften wiederum, die bislang nicht als Organgesellschaft behandelt wurden und dies vorläufig auch nicht möchten, sollten weiterhin Vertrauensschutz genießen. Für die Zukunft sind gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um die gewünschte umsatzsteuerliche Behandlung zu erreichen.“
Quelle: PT-Magazin
Wie Personengesellschaften nun unabhängig von ihren Gesellschaftern finanziell in das Unternehmen einer ihrer Gesellschafter eingegliedert sein können und welche Gestaltungen dafür nötig sind, erklären die Experten für Steuerberatung der WWS-Gruppe.
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Stefan Rattay
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