Nach aktuellen Schätzungen steht im Zeitraum von 2018 bis 2022 in rund 150.000 Familienunternehmen die Übergabe an. Die Auswirkungen der Pandemie können zwar für eine Unterbrechung bei den Planungen sorgen. Sie entbindet Eigentümer aber nicht von der Verpflichtung, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Der Vorteil: Durch die Rezession können Unternehmensbewertungen sinken und dadurch auch die Besteuerung der Nachfolge reduzieren.
Eines ist klar: Die Covid-19-Pandemie wird besiegt werden, sodass die Rückkehr zur gewohnten Normalität möglich ist. Das wird aufgrund der weltweiten Impfmaßnahmen in diesem Jahr passieren. Aber die durch die Corona-Krise ausgelöste Rezession wirkt sich auf mehr und mehr Branchen und Unternehmen aus. Umsatz- und Gewinnrückgänge, Liquiditätsschwierigkeiten und disruptive Märkte stellen viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Dazu kommt die seit vielen Jahren wachsende Nachfolgeproblematik im deutschen Mittelstand. Die Zahlen sind bekannt. Nach aktuellen Schätzungen steht im Zeitraum von 2018 bis 2022 in rund 150.000 Familienunternehmen die Übergabe an. Dies entspricht 30.000 Übergaben pro Jahr. Davon sind alle Branchen betroffen.
„Der Mittelstand ist durch die Einheit von Eigentum und Leitung gekennzeichnet. Daher stellt die Unternehmensnachfolge die wesentliche strategische Herausforderung aller mittelständischen Unternehmen dar. Nicht nur eine neue Geschäftsführerin oder ein neuer Geschäftsführer müssen gefunden werden, sondern eine neue Unternehmerin oder ein neuer Unternehmer. Durch den mit über 99% weit überwiegenden Anteil der Unternehmen kleinster, kleiner und mittlerer Größe hängt in Deutschland die Mehrzahl der Arbeitsplätze vom Erfolg der Übergabe des Betriebs an die nächste Generation ab“, heißt es dazu passend im aktuellen Forschungsbericht „Nachfolgemonitor“.
Nachfolgedynamik wird in den kommenden Jahren nicht abnehmen
Da die Generation der Baby-Boomer (also die geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er) dem Rentenalter immer näherkommt, wird diese Dynamik in den kommenden Jahren voraussichtlich auch nicht abnehmen. Die Auswirkungen der Pandemie können zwar für eine Unterbrechung bei den Planungen sorgen. Sie entbindet Eigentümer aber nicht von der Verpflichtung, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Die Corona-Krise ist ein harter Einschnitt. Aber die Unternehmensnachfolge ist die Zukunft und sollte daher bei allen aktuellen Erwägungen weiterhin eine Rolle spielen, wenn die Zeit dafür bei Senior-Unternehmern und der Nachfolgegeneration reif ist.
Diesen Prozess derzeit anzustoßen, kann sogar gewisse Vorteile für potenzielle Nachfolger haben. Wirtschaftliche Schwierigkeiten können den Unternehmenswert reduzieren, sodass auch größere Betriebe, erbschaft- beziehungsweise schenkungsteuerfrei übergeben werden könnten. Auch der Wert des reinen betrieblichen Gewerbeimmobilienvermögens kann in Folge der Corona-Krise gesunken sein. Das ist natürlich eine attraktive Aussicht bei den zuletzt stark steigenden Preisen für Grund und Boden. Das Risiko, dass durch die Immobilienpreise die steuerlichen Freigrenzen überschritten werden, ist somit möglicherweise reduziert. Das bedeutet konkret, dass gegebenenfalls viel weniger Vermögen bei der Berechnung Erbschaft- oder Schenkungsteuer herangezogen wird als bei den hohen Bewertungen vor der Krise.
Generell ist die Unternehmensbewertung die Basis jeder Unternehmensnachfolge. Eine nachvollziehbare Unternehmensbewertung ist wichtig, damit es nicht zu überhöhten Forderungen der Finanzbehörden bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer kommt. Man hört indes im Mittelstand immer wieder, dass doch einfach nur der durchschnittliche Umsatz der vergangenen Jahre mit einem bestimmten Faktor multipliziert werden müsse, um ein tragfähiges Ergebnis zu erreichen. Das ist genauso wenig richtig wie der typisierende Ansatz der Steuerbehörden, im Rahmen der vereinfachten Berechnung des Unternehmenswertes den durchschnittlichen Jahresertrag eines Unternehmens der vergangenen drei Jahre mit einem Faktor von ca. 14 zu multiplizieren.
Unternehmensbewertung nach IDW S1
Der tatsächliche Unternehmenswert liegt im inhabergeführten Mittelstand oftmals darunter, und die Bewertungsmethoden werden gegebenenfalls der zukünftigen Situation nicht gerecht. Vielmehr führen sie zu einem völlig falschen Ergebnis – gerade auch in Zeiten wie diesen, die auch grundsätzlich sehr erfolgreiche Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Die Unternehmensbewertung im Rahmen der (familiären) Nachfolge sollte sich grundsätzlich aus den finanziellen Überschüssen ergeben, die bei Fortführung des Unternehmens erwirtschaftet werden. Das folgt dem Ansatz nach IDW S1, also dem Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW). Mittels IDW S1 wird der sogenannte Zukunftserfolgswert über das Ertragswertverfahren und Discounted Cash-Flow-Verfahren errechnet.
Bei der Discounted Cash-Flow-Methode wird der Wert eines Unternehmens aus der Diskontierung des zukünftigen Cash-Flows errechnet. Das Ertragswertverfahren wiederum dient der Ermittlung des Ertragswertes von Renditeobjekten durch Kapitalisierung der Reinerträge, die mit diesen Objekten dauerhaft erwirtschaftet werden. Das IDW S1-Gutachten dient dementsprechend neben der Ermittlung von Preisober- oder Untergrenzen bei dem Kauf oder der Veräußerung von Unternehmen eben auch als Nachweis für die Bewertung gegenüber der Finanzverwaltung.
Bewertungsrückgänge aufgrund der Pandemie können sehr gut genutzt werden
Unter anderem muss diese vge rezessionsbedingte Abschwünge im Zuge der Corona-Krise abstellen und zugleich auch weiteren Faktoren Rechnung tragen, die zu reduzierten Unternehmenswerten führen können, da die zukünftig erzielbaren finanziellen Überschüsse durch diese gesenkt werden. Vor allem gehört dazu die Person des Senior-Unternehmers, an den in der Regel ein großer Teil der Ertragskraft des Unternehmens gebunden ist. Scheidet dieser aus dem Unternehmen aus, lassen die historischen Erträge sich – zumindest nicht unmittelbar – fortschreiben. Daher sind personenbezogenen Faktoren immer wertmindernd zu berücksichtigen, weil sie einen nicht unerheblichen Anteil an der künftigen Ertragskraft des Unternehmens haben können.
Das bedeutet: Die Bewertungsrückgänge aufgrund der Pandemie können sehr gut genutzt werden, um Steuervorteile in der familiären Unternehmensnachfolge zu nutzen. In Kombination mit Bewertungsabschlägen aufgrund personenbezogener Faktoren kann die Übergabe auch grundsätzlich sehr substanzstarker Unternehmen mit reduzierter Steuerbelastung gelingen. Zwar sollten die Bewertungsabschläge nicht der einzige Grund sein, den Betrieb zu übertragen. Wenn der Prozess aber ohnehin ansteht, dürfen die potenziellen steuerlichen Vergünstigungen durchaus eine Rolle spielen.
Quelle: Intelligent Investors
Korrespondenz mit:
Sebastian Loosen
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Sebastian Loosen
Geschäftsführer, Diplom-Kaufmann (FH), Wirtschaftsprüfer, Steuerberater