06.2018

Gratwanderung Sozialversicherungspflicht

Wann greift beim Geschäftsführer die Sozialversicherungspflicht? Diese Frage ist nicht immer einfach zu beantworten. Über den tatsächlichen Sozialversicherungsstatus entscheiden bisweilen vertragliche Details. In den letzten Jahren schränkte die Rechtsprechung die Möglichkeiten, sich von der Sozialversicherungspflicht zu befreien, immer weiter ein.

Bei Minderheits-Gesellschaftern erkennen die Sozialversicherungsträger nur noch in den wenigsten Fällen eine Selbstständigkeit an. Vor diesem Hintergrund sollten inhabergeführte Unternehmen ihre Satzung und Geschäftsführerverträge dringend auf den Prüfstand stellen, rät die Wirtschaftskanzlei WWS Wirtz, Walter, Schmitz aus Mönchengladbach. Fehleinschätzungen auf diesem Gebiet können drastische Folgen für Unternehmen und Gesellschafter haben. Grundsätzlich gilt:

Der Sozialversicherungsstatus von geschäftsführenden Gesellschaftern hängt von ihrer Rechtsmacht in der Firma ab. „Weisungsabhängige“ Geschäftsführer unterliegen der Sozialversicherungspflicht. Weisungsfreiheit liegt in der Regel dann vor, wenn der Geschäftsführer einer GmbH, Kommandit- oder Unternehmergesellschaft mindestens 50 Prozent der Geschäftsanteile hält. Gleichwohl existieren selbst dann noch Ausnahmefälle: So z.B. Konstellationen, in denen Gesellschafter die Mehrheitsanteile als Treuhänder für eine andere Person halten und an deren Weisungen gebunden sind.

Doch was, wenn der Geschäftsführer keine Anteilsmehrheit hält? Ob auch in solchen Fällen Weisungsfreiheit vorliegen kann, war in jüngster Zeit Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren. Zwei aktuelle Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) sorgen jetzt abschließend für Klarheit (Az. B 12 KR 13/17 R; B 12 R 5/16 R). Die Richter gehen davon aus:

Ein Minderheitsgesellschafter kann nur dann als weisungsfrei gelten, wenn er über eine echte Sperrminorität verfügt. Voraussetzung: Sie ist im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich geregelt. Das Merkmal „echt“ gilt nur dann als erfüllt, wenn der Geschäftsführer einen wesentlichen und dauerhaften Einfluss auf die Beschlüsse und Entscheidungen der Gesellschaft hat. Daher:

Die Sperrminorität muss unkündbar sein, also nicht ohne Zustimmung des betreffenden Gesellschafter-Geschäftsführers aufgehoben werden können. Firmen sollten sicherstellen, dass die Sperrminorität für alle Gesellschafterbeschlüsse greift, die die im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag enthaltenen Rechte beeinträchtigen könnten.

Bei allen sozialversicherungsrechtlichen Vorteilen ist dieses Modell nicht frei von Risiken! Firmen beschränken mit der starken Position des Minderheitsgesellschafters die Rechte der Inhaber der Anteilsmehrheit. Das kann im Extremfall bis zur Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Entscheidungsträger sollten die Vor- und Nachteile genau gegeneinander abwägen und sich bewusst machen, welche Macht sie ihrem Geschäftsführer damit im Betriebsalltag einräumen.

Die Rechtsprechung erteilte alternativen Gestaltungen zur echten Sperrminorität in der Vergangenheit mehrfach eine Absage. Nicht ausreichend sind etwa Nebenabreden zur Satzung in Form eines schuldrechtlichen Vetorechts oder einer schuldrechtlichen Weisungsfreiheit. Diese können u.U. gekündigt werden und sichern daher die Eigenständigkeit des Geschäftsführers nicht für alle Fälle ab.

Auch eine schuldrechtliche Stimmbindungs-Vereinbarung kommt nicht in Frage: Sobald sie von den Geschäftsanteilen losgelöst ist, geht die gesellschaftsrechtliche Wirksamkeit verloren. Nicht zuletzt fehlt gemäß Bundessozialgericht einem gesellschaftsrechtlichen Vetorecht die erforderliche Beständigkeit: Es kann die Gesellschafter nicht daran hindern, dass sie es nachträglich aus dem Gesellschaftsvertrag löschen.

Die aktuelle Rechtslage gebietet Vorsicht. Stellt sich im Rahmen einer Betriebsprüfung heraus, dass ein vermeintlich selbstständig tätiger Geschäftsführer tatsächlich versicherungspflichtiger Angestellter ist, drohen der Firma hohe Nachzahlungen in die Sozialversicherung nebst saftigen Säumniszuschlägen. Liegt hingegen bei einem Geschäftsführer wider Erwarten keine Sozialversicherungspflicht vor, hat er womöglich keinen Anspruch auf existenziell wichtige Versicherungsleistungen.

Unternehmen sollten im Zweifelsfall fachlichen Rat einholen und für Klarheit sorgen. Nach Abstimmung mit kundigen Beratern können Betroffene auch bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung ein sog. Statusfeststel-lungsverfahren durchführen lassen. Ergebnis ist immer ein Feststellungs-bescheid, der hinsichtlich des geprüften Sachverhalts rechtsverbindlich ist.

Quelle: Der Schmitt-Brief

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Portrait & Vita
Rebekka De Conno
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Tel.: 02166 971-128
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