08.2016

Genau hinschauen

Sind GmbH-Geschäftsführer sozialversicherungspflichtig oder nicht? Die Antwort ist nicht immer eindeutig - nämlich dann, wenn der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist. Wie sich Be­troffene vor unangenehmen Überraschungen schützen können, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Wer als Arbeitnehmer angestellt ist, muss in die gesetzliche Kran­ken- , Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung einzahlen. So will es das Gesetz. Selbstständige sind dagegen nicht sozialversicherungspflichtig, kön­nen also die Art ihrer Vorsorge selbst wäh­len. Das Problem ist nur, dass nicht jeder, der meint, er sei selbstständig, dies auch ist. Das betrifft auch GmbH -Geschäftsführer, die zu­gleich Gesellschafter sind. Für einen beherr­schenden Gesellschafter-Geschäftsführer besteht im Prinzip Versicherungsfreiheit. Er gilt als selbstständig. Doch sollte man besser genau klären, ob die Selbstständigkeit auch wirklich zutrifft, denn im Zweifelsfall könnten Beitragsnachzahlungen fällig werden.

Ein Urteil des Sozialgerichts Dortmund macht die Problematik deutlich. In diesem Fall hält der Gesellschafter-Geschäftsfüh­rer 49,71 % der Geschäftsanteile „seiner“ GmbH. Er verfügt über umfassende Bran­chenkenntnisse, kann seine Arbeitszeit frei einteilen und erhält von der Gesellschafter­versammlung keine Einzelanweisungen. Obendrein pflegt er die wichtigen Kunden­kontakte. Somit ging er davon aus, dass er selbstständig ist. Daran hatte das Sozialge­richt (Az.: S 34 R 580/13) jedoch Zweifel und verneinte letztlich die Selbstständigkeit.

Ob ein Geschäftsführer abhängig beschäf­tigt oder selbstständig ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Tätigkeit. Für eine abhängige Beschäftigung sprechen Indizien wie die Eingliederung in den Betrieb und die Wei­sungsabhängigkeit hinsichtlich Zeit, Dauer, Art und Ort der Tätigkeit. Eine selbstständige Tätigkeit hingegen wird durch das eigene Un­ternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Ar­beitszeit gekennzeichnet. Doch trotz einer Fülle von Indizien, welche die Rechtspre­chung im Laufe der Jahre entwickelt hat, ist eine stimmige Einordnung alles andere als einfach. Vor allem reicht es nicht aus, dar­auf ahzustellen, welche Indizien zahlenmä­ßig überwiegen.

Es ist nicht allein maßgeblich, wie die tat­sächlichen Verhältnisse im Unternehmen sind und wie frei der Geschäftsführer schaltet und waltet. Für die Abgrenzung zwischen abhän­gigem Beschäftigungsverhältnis und selbst­ständiger Tätigkeit wird neben den tatsächli­chen Verhältnissen nun auch der sogenannten „Rechtsmacht“ unter Heranziehung des bestehenden Geschäftsführeranstellungsvertrages und der Satzung der Gesellschaft besondere Bedeutung beigemessen. Grundlage hierfür sind zwei Entscheidungen des Bun­dessozialgerichts aus dem Jahr 2012.

ln der ersten Entscheidung des Bundessozialgerichts (Az.: B 12 KR 25 10 R) hatte der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer eines Maschinenbauunternehmens seinem Sohn, der als Betriebsleiter im Unterneh­men tätig und mithin weder Gesellschafter noch Geschäftsführer war, per Gesellschafterbeschluss eine Gewinntantieme zusagt. Er wurde vom Selbstkontrahierungsverbot befreit und auf das Weisungsrecht ihm ge­genüber wurde verzichtet. Trotz der fami­liären Bindung und des vom Vater erklärten teilweisen Verzichts auf die Ausübung des Weisungsrechts bejahte das Gericht die So­zialversicherungspflicht des Sohnes.

lm zweiten Fall (Az.: B 12 R 14 10 R) wurde die Selbstständigkeit des Sohnes einer minderbeteiligten Kommanditistin an einer GmbH & Co. KG ebenfalls verneint, weil dieser zum einen „nur“ ein Fremdgeschäftsführer war und zudem auch die gesellschaftsrechtli­chen Verhältnisse ihm nicht die Möglichkeit gaben, wie ein Alleingesellschafter frei zu entscheiden.

Die beiden Entscheidungen erstaunten, da bisher bei Familiengesellschaften im Rah­men der sozialversicherungsrechtlichen Einordnung die familiäre Bindung zählte. Der künftige „Untemehmenserbe“, der das Un­ternehmen faktisch bereits wie ein Allein­inhaber führt und dem aufgrund familiärer Verbundenheit keine Weisungen erteilt wer­den, war in der Regel selbstständig.

Jetzt sind bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tä­tigkeit zwar auch die tatsächlichen Verhältnisse zu beachten. Ihnen kommt aber nicht per se der Vorrang vor den vertraglichen Regelungen zu. Andernfalls würde die sozialver­sicherungsrechtliche Statusfeststellung von der jeweiligen „Stimmung“ in der Familie abhängen. ln Zeiten von „Harmonie“ wäre die Selbstständigkeit zu bejahen, in Phasen familiärer Zerwürfnisse aber, in denen der Geschäftsführer aufgrund seiner rechtlichen Stellung nicht in der Lage ist, Weisungen zu ignorieren, wäre die Selbstständigkeit zu ver­neinen. Eine solche „Schönwetter-Selbststän­digkeit“ kann es nach Auffassung des BundessoziaIgerichts nicht geben.

Modifizierte Richtlinie für die Sozialversicherung

Aufgrund der neueren Rechtsprechung haben die Spitzenorganisationen der Sozial­versicherung die Grundsätze zur Status­beurteilung von Erwerbstätigen in GmbHs modifiziert. Demnach soll weiterhin eine Gesamtbetrachtung des Beschäftigungsverhältnisses erfolgen. Diese hat jedoch unter Berücksichtigung der Regelungen des GmbH-Gesetzes und der gesellschaftsrechtlichen Re­gelungen bzw. Vereinbarungen zu erfolgen. Zudem unterscheiden sich Geschäftsführer einer Familiengesellschaft bei der versiche­rungsrechtlichen Beurteilung nicht mehr von den „sonstigen“ Geschäftsführern.

Entscheidend ist, ob der betreffende Ge­schäftsführer die Rechtsmacht hat, ob er also Entscheidungen der Gesellschafterversammlung verhindern kann. Diese Rechtsmacht besteht entweder bereits aufgrund der Kapitalbeteiligung, mithin bei einem Mehrheitsgesellschafter. Oder, wenn eine umfas­sende Sperrminorität vertraglich vereinbart wurde, also Entscheidungen der Gesellschafterversammlung auch der Zustimmung des Minderheitsgesellschafters bedürfen.

Machtbefugnisse vertraglich regeln

Die modifizierte Richtlinie dürfte Folgen für künftige Statusbeurtei­lungen haben. Geschäftsführer und Unternehmer sind gut darin beraten, sich die Geschäftsführeranstellungsverträge und die Satzung der Gesellschaft genau anzusehen. Allein der Umstand, dass der Geschäftsführer aufgrund mündlicher Abreden bisher autonom agieren konnte, ist insbesondere unerheblich, wenn einem Geschäftsführer aufgrund der vertraglichen Regelungen der eingeräumte Spielraum jederzeit entzogen werden kann. Zudem ist eine mündliche Abspracheh, die im Widerspruch zu den ursprünglich vertraglich fixierten Ver­einbarungen steht, nur dann rechtlich relevant, wenn eine formlose Außerkraftsetzung der vertraglichen Vereinbarung möglich ist. Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass Beschlüsse der Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedürfen, ist eine mündliche Absprache, wonach zur Beschlussfassung die Zustimmung des Minderheitsgesellschaf­ter-Geschäftsführers erforderlich ist, irrelevant. Das Bundessuzialgericht hat es dementsprechend auch in drei neuen Entscheidungen für erforderlich gehalten, dass eine Stimmrechtsbindung — mithin eine Vereinbarung zwischen den Minderheitsgesellschaftern, dass in der Gesellschafterversammlung einheitlich abzustimmen ist — explizit in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden muss (BSG, Az.: B 12R 2/14; B 12 KR 13/14; B 12KR 10/14R).

Wenn im Unternehmen Einigkeit darüber besteht, welche „Macht­befugnisse“ dem Geschäftsführer eingeräumt werden, sollten die vertraglichen Regelungen dies widerspiegeln. Unternehmer und Geschäftsführer sollten daher darauf achten, dass die Verträge im Einklang zueinander und zu den tasächlichen Verhältnissen stehen sowie die erforderliche Form eingehalten wird.

Clearingverfahren bringt Rechtssicherheit

Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung bietet die Durchführung eines Statusteststellungsverfahrens an, um in Zweifelsfällen Rechtssicherheit zu erlangen. Sollte sich im Rahmen einer Status­feststellung heraussteilen, dass ein als selbstständig tätig geglaubter Geschäftsführer de facto versicherungspflichtig beschäftigt war, dro­hen dem betroffenen Unternehmen jedoch Beitragsnachzahlungen. Umgekehrt haben Geschäftsführer, bei denen wider Erwarten keine Soziahersicherungspflicht vorlag, unter Umständen aber keinen Anspruch auf Leistungen aus der Sozialversicherung. ln diesem Statusfeststellungsverfahren können sich die Beteiligten nach neuester Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht von einem Steuer­berater vertreten lassen (Az.: B 12 R 7/12 R). Soweit bereits ein Statusfeststellungsbescheid vorliegt, kann dieser - je nach Inhalt und Zeitpunkt des Erlasses - eventuell Bestandsschutz genießen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass im Rahmen von Betriebs­prüfungen aufgrund der neuen Rechtsprechung „Altfälle“ neu geprüft werden. Unternehmen sollten deshalb ihre bestehenden Verträge im Lichte der Rechtsprechungsentwicklung kritisch hinterfragen und gegebenenfalls rechtlichen Beistand einholen.

Quelle: Agrarmanager

 

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Rebekka De Conno
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
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