Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass stark beleidigende, rassistische, sexistische und zu Gewalt aufstachelnde Äußerungen gegenüber Vorgesetzten und Kollegen auch in privaten Chats eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann.
Immer häufiger äußern sich Menschen auf digitalen Kanälen abfällig über andere. Auch vor Vorgesetzten und Kollegen machen viele Menschen nicht Halt und kommunizieren in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise. Das kann arbeitsrechtliche Folgen für die Urheber haben, wie das Bundesarbeitsgericht jetzt entschieden hat (Urteil vom 24. August 2023, Az.: 2 AZR 17/23). Und das gilt nicht nur, wenn diese Äußerungen öffentlich erfolgen. Denn unter Umständen können auch krasse Beleidigungen in privaten Chats eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Der Hintergrund des Revisionsverfahrens: Der bei der Beklagten beschäftigte Kläger gehörte seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz „langjährig befreundet“, zwei miteinander verwandt, schreibt das Bundesarbeitsgericht in einer Pressemitteilung. Neben rein privaten Themen äußerte sich der Kläger – wie auch mehrere andere Gruppenmitglieder – in beleidigender und menschenverachtender Weise unter anderem über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos, heißt es weiter.
„Daraufhin hat der gekündigte Mitarbeiter eine Kündigungsschutzklage erhoben, die die Vorinstanzen bestätigt haben. Das Bundesarbeitsgericht hat aber der Revision des beklagten Unternehmens stattgegeben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Denn das oberste deutsche Arbeitsgericht hat das Argument der berechtigten Vertraulichkeitserwartung des Klägers verworfen“, erklärt Rebekka De Conno, LL.M. (gewerblicher Rechtsschutz), Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der multidisziplinären Kanzlei WWS Wirtz, Walter, Schmitz & Partner mbB mit Standorten in Mönchengladbach, Aachen und Nettetal am Niederrhein (www.wws-gruppe.de).
Die Vertraulichkeitserwartung bezieht sich allgemein auf die Erwartung einer Person, dass bestimmte Informationen oder Daten vertraulich behandelt werden und nicht ohne Zustimmung an Dritte weitergegeben werden. Im deutschen Recht sind Aspekte der Vertraulichkeit in verschiedenen Rechtsbereichen verankert. Ein Punkt ist der Datenschutz. Das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) regeln den Schutz personenbezogener Daten. Personen haben das Recht darauf, dass ihre Daten vertraulich behandelt und nur unter bestimmten Voraussetzungen verarbeitet werden.
„Darauf hat der Kläger sich berufen und damit das Vorliegen eines Kündigungsgrundes verneint. Eine Vertraulichkeitserwartung ist aber laut Bundesarbeitsgericht nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können“, betont Rebekka De Conno. Diese Schutzwirkung sei abhängig von dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe. Fielen, wie im vorliegenden Fall, beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedürfe es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigterweise die Vertraulichkeitserwartung voraussetzen, also erwarten dürfe, dass die ehrabschneidenden, herabwürdigenden Inhalte von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben würden. Das Landesarbeitsgericht muss dem Kläger nun Gelegenheit zur Darlegung geben, warum er angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung haben durfte.
Für Rebekka De Conno bedeutet aus Sicht von Arbeitgebern: „Unternehmen müssen sich aus arbeitsrechtlicher Sicht auch nicht jede private Äußerung gefallen lassen, wenn diese bekannt wird. Eine Vertraulichkeitserwartung ist nur dann berechtigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz aufgrund einer Sphäre vertraulicher Kommunikation wirklich in Anspruch nehmen können. Daher sollten Arbeitgeber bei solchen Vorgängen die richtigen Schritte einleiten.“
Quelle: PT-Magazin
Korrespondenz mit:
Rebekka De Conno, LL.M.
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
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Universität) und in Düsseldorf (Heinrich-Heine Universität) |
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2005 – 2007 |
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