04.2015
Augen auf beim Praktikum - Stolperfallen beim Mindestlohngesetz
Das Mindestlohngesetz definiert strenge Regeln für Praktika. Es lauern vielfältige Stolperfallen, doch bieten sich gleichwohl interessante Gestaltungsmodelle. Was Unternehmen und Praktikanten beachten sollten.
Wer kennt das nicht: Viele junge Menschen absolvieren bevor sie sich für einen konkreten Berufsweg entscheiden, ein Praktikum-ganz eigenverantwortlich oder auch im Rahmen ihrer Ausbildung.
So haben Praktika in der Arbeitswelt eine zentrale Bedeutung erlangt. Unternehmen und Nachwuchskräfte lernen sich kennen und loten die Option auf eine dauerhafte Zusammenarbeit aus. Doch Vorsicht: Für Praktika gelten seit Jahresbeginn verschärfte Vorgaben. Ihre Planung und Durchführung erfordert erhöhte Weitsicht, warnt die Wirtschaftskanzlei WWS aus Mönchengladbach. Insbesondere Entlohnung und Praktikumsdauer müssen sorgfältig festgelegt werden. Andernfalls drohen den Unternehmen hohe Nachzahlungen und empfindliche Bußgelder.
Nicht immer Mindestlohn
Grundsätzlich haben auch Praktikanten Anspruch auf den Mindestlohn von € 8,50 pro Stunde. Zu den praxisrelevantesten Ausnahmen zählen jedoch Pflichtpraktika, die im Rahmen einer Ausbildung, eines Studiums oder auf Anweisung einer Schule erfolgen.
Auch bei freiwilligen Praktika, die der beruflichen Orientierung dienen oder während eines Studiums oder einer Ausbildung durchgeführt werden, kann die Mindestlohnpflicht entfallen.
Unternehmen sollten Anlass und Beweggründe für ein Praktikum deshalb immer dokumentieren. Sie können sich zum Beispiel die Praktikumspflicht von der Bildungseinrichtung bestätigen lassen und das Dokument zusammen mit der Studien- oder Ausbildungsordnung in der Personalakte aufbewahren.
In jedem Fall müssen Betriebe darauf achten, einen entsprechenden Vertrag abzuschließen, der die wesentlichen Punkte festhält und dem Praktikanten vor Arbeitsbeginn ausgehändigt wird.
Maximal drei Monate
Zentrale Voraussetzung für die Mindestlohnbefreiung bei freiwilligen Praktika ist, dass sie maximal drei Monate gehen. „Wird diese Höchstdauer auch nur geringfügig überschritten, ist rückwirkend ab dem ersten Praktikumstag der Mindestlohn fällig“, warnt Rebekka De Conno, Rechtsanwältin der WWS. Doch allzu kurze Laufzeiten sind in der zunehmend komplexen Berufswelt für Unternehmen und Praktikanten selten sinnvoll. Schnell vergehen einige Wochen, bis der »Neue« sich einarbeitet und einbringen kann. Hier eröffnet das Mindestlohngesetz Spielräume, die Beschäftigungszeit im selben Unternehmen auszudehnen.
Dies ist auch für Praktikanten von Vorteil, wenn sie unabhängig von der Vergütung einen hohen Nutzen ihrer Tätigkeit erwarten. Verschiedene Praktika lassen sich kombinieren, sodass die Kollegen theoretisch über ein halbes Jahr lang ohne Anspruch auf Mindestlohn beschäftigt werden können.
Strenge Regeln zu beachten
„Das Zusammenlegen von Praktika unterliegt aber engen Grenzen“, betont die WWS-An- wältin. Möglich sind zwei aufeinander folgende Pflichtpraktika, wenn der Lehrplan einer Bildungseinrichtung zwei vorsieht.
Auf ein freiwilliges Orientierungs- kann ein Pflichtpraktikum oder ein freiwilliges ausbildungsbegleitendes Praktikum folgen. Vom Mindestlohn ausgenommen sind auch freiwillige ausbildungsbegleitende Praktika, wenn sie mit einem Pflichtpraktikum kombiniert werden.
Bei allen anderen Kombinationen greift beim zweiten Praktikum die Mindestlohnpflicht!
Aber: Auch ohne Mindestlohn haben Praktikanten Anspruch auf eine angemessene Bezahlung. Richtschnur sind die jährlich vom Bundesinstitut für Berufsbildung veröffentlichten Ausbildungsvergütungen. „Ein Anspruch auf Vergütung entfällt nur in Ausnahmefällen“, so Expertin De Conno. „Dies kann dann gelten, wenn etwa ein Praktikant lediglich sehr kurz im Unternehmen ist oder nur passiv am Arbeitsprozess teilnimmt.“
Wissensvermittlung im Vordergrund
Laut Mindestlohngesetz steht der Erwerb praktischer Kenntnisse und Erfahrungen im Vordergrund, und nicht die Arbeitsleistung. „Bereits aus der Stellenausschreibung sollte klar hervorgehen, dass das Praktikumsverhältnis auf die Wissensvermittlung abzielt“, rät die Anwältin.
Überwiegt hingegen der wirtschaftliche Nutzen für das Unternehmen, wird aus dem Praktikum schnell ein verdecktes Arbeitsverhältnis. Die Gefahr: Die Mindestlohnbefreiung entfällt. Unternehmen sollten von Praktikanten Lernpläne und Tätigkeitsberichte schreiben lassen, die den Bildungscharakter belegen. So können Betriebe kritischen Nachfragen der Finanzbehörden begegnen.
Tipp: Interessierte können sich im Internet unter www.der-mindestlohn-gilt.de zum Thema weiter informieren.
Quelle: gastronomie & hotellerie
Korrespondenz mit:
Rebekka De Conno, LL.M.
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Tel.: 02166 971-128
Fax: 02166 971-173
rdeconno@wws-mg.de
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