07.2017

Augen auf beim Einsatz von Leiharbeitern

Seit Anfang April 2017 gelten bei der Vermittlung von Leiharbeitern und Selbstständigen verschärfte Vorgaben. Unternehmen sollten die gesetzlichen Neuerungen genau kennen, um nicht in arbeitsrechtliche Stolperfallen zu geraten.

ln vielen Firmen ist der Einsatz von Fremdpersonal nicht mehr wegzudenken. So gewinnen Unternehmen Flexibilität und reduzieren Fixkosten. Das reformierte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) macht das Thema zur Chefsache. Zum einen erschwert das neue AÜG den Einsatz von Leiharbeitern erheblich. Zum anderen erhöht es die Gefahr von Scheinselbstständigkeit. Firmen sollten bestehende Verträge rund um Fremdpersonal kritisch prüfen und neue mit Weitblick ausgestalten. So können Unternehmen externe Kräfte trotz der verschärften Vorgaben bedenkenlos einsetzen.

Neuregelungen zur Beschäftigungsdauer

Das neue Gesetz soll missbräuchlichen Praktiken beim Einsatz von Fremdpersonal einen Riegel vorschieben. Es regelt sowohl die Arbeitnehmerüberlassung als auch die Vermittlung und den Einsatz von Selbstständigen. Ein zentraler Aspekt ist die Neuregelung der Einsatzzeiten von Leiharbeitern. Im alten AÜG war nicht klar geregelt, wie lange eine Überlassung höchstens erfolgen darf. Künftig ist die Höchstdauer auf 18 Monate limitiert. Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen lassen abweichend davon eine Einsatzdauer von maximal 24 Monaten zu. Zeiträume vor dem 1. April 2017 bleiben außen vor. Personalverantwortliche sollten sich vorsichtshalber den 22. September 2018 im Kalender rot anstreichen. Dann endet bei laufenden Kontrakten erstmalig die Höchstüberlassungsdauer. Soll ein Zeitarbeiter im Anschluss im selben Unternehmen erneut zum Einsatz kommen, ist eine Unterbrechung von mehr als drei Monaten vorgeschrieben.

Werden die Zeitvorgaben nicht ein­gehalten, wird aus einem Leiharbeiter automatisch ein sozialversicherungs­pflichtiger Arbeitnehmer mit Urlaubsan­spruch und Kündigungsschutz. Überse­hen Unternehmen den Arbeitnehmersta­tus, drohen neben hohen Lohnsteuer- und Sozialversicherungsnachzahlungen zu­sätzlich strafrechtliche Konsequenzen. Auch bei der Entlohnung von Zeitarbei­tern müssen Entleiher aufpassen. Leih­arbeitern steht spätestens nach neun Mo­naten das gleiche Gehalt („Equal Pay") wie dem Stammpersonal zu. Tarifliche Sonder­regelungen ermöglichen eine Einsatzzeit von bis zu 15 Monaten ohne „Equal Pay". Dazu muss der Entleiher dem Verleiher mitteilen, in welcher Höhe das vergleich­bare Arbeitsentgelt zu veranschlagen ist. Bei Verstößen gegen das „Equal-Pay"-Gebot droht dem Verleiher ein Bußgeld, das in der Spitze 500 000 Euro betragen kann. Die Berechnung und Mitteilung des ver­gleichbaren Arbeitsentgeltes erfordert er­höhte Sorgfalt. Bei Fehlern kann das Zeit­arbeitsunternehmen Bußgelder beim Ent­leiher einklagen. 

Verschärfte Regeln für Arbeitnehmer-Überlassungsvertrag

Für die Gestaltung eines Arbeitnehmer-Überlassungsvertrags (AÜV) gelten ver­schärfte Regeln. Der vereinbarte AÜV muss eindeutig als solcher bezeichnet und noch vor Arbeitsbeginn des Zeitar­beiters unter Dach und Fach sein. Im Ver­trag darf der Name des Leiharbeiters so­wie die Unterschrift des Ver- und Entlei­hers nicht fehlen. Bei Verstößen gegen die sogenannte „Kennzeichnungs- und Kon­kretisierungspflicht" kann die Arbeits­agentur gegen beide Parteien ein Bußgeld in Höhe von bis zu 30000 Euro verhängen. Darüber hinaus verliert der Überlas­sungsvertrag gegebenenfalls seine Gültig­keit und der Zeitarbeiter wird zum sozial­versicherungspflichtigen Angestellten des Entleihers.

Grundsätzlich bleibt ein Ausweg. Falls zwischen Entleiher und Zeitarbeiter unbe­absichtigt ein Arbeitsverhältnis entsteht, eröffnet das neue AÜG eine arbeitgeber­freundliche Lösung. Der frisch gebackene Arbeitnehmer kann innerhalb eines Mo­nats erklären, dass er am Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält (sogenannte „Festhaltenserklärung"). So vermeiden Mitarbeiter, dass sie sich wider Willen in der Rolle eines ungewollten Arbeitneh­mers wiederfinden. Der Leiharbeitneh­mer muss sich die Erklärung persönlich bei der Arbeitsagentur bestätigen lassen und spätestens drei Tage später beim Ver- oder Entleiher vorlegen. Firmen sollten nach einer erfolgten Festhaltenserklärung von einer Weiterführung der Überlassung absehen. Eine erneute Festhaltenserklä­rung wäre in jedem Fall unwirksam. 

Erhöhte Vorsicht bei Einsatz von Freelancern

Auch beim Einsatz von Freelancern über Vermittlungsagenturen ist erhöhte Vor­sicht geboten. Die Beschäftigung er­folgt auf der Grundlage eines Werk- oder Dienstvertrages zwischen dem Selbststän­digen und dem Einsatzunternehmen. Die Crux: Wenn Freelancer etwa über Zeit, Ort und Art ihrer Tätigkeit nicht frei entschei­den können, besteht eine Scheinselbst­ständigkeit. Bisher konnten Vermittler im Rahmen der sogenannten „Fallschirm­lösung" sich und ihre Auftraggeber vor negativen Konsequenzen schützen. Da­für sorgte eine vorsorglich beantragte Arbeitnehmerüberlassungs­erlaubnis. Der Dienstleister konnte so eine Scheinselbst­ständigkeit nachträglich zur rechtmä­ßigen Leiharbeit umdeklarieren. Damit ist jetzt Schluss. Das neue Gesetz schließt die Fallschirmlösung grundsätzlich aus. Der Rechtmäßigkeit bestehender und künf­tiger Verträge kommt damit eine enorme Bedeutung zu. Die tatsächliche Beurtei­lung der Beschäftigungsform hängt oft von Kleinigkeiten ab. Firmen sollten be­stehende Verträge und die gelebte Ein­satzpraxis kritisch unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls nachjustieren.

Quelle: IKZ Haustechnik

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Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
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