05.2018

Augen auf beim Einsatz von Fremdpersonal

VORSICHT BEI ARBEITSRECHTLICHEN STOLPERFALLEN Seit April 2017 gelten bei der Vermittlung von Leiharbeitern und Selbständigen verschärfte Vorgaben. Unternehmen sollten die gesetzlichen Neuerungen genau kennen, um nicht in arbeitsrechtliche Stolperfallen zu geraten.

Bei vielen Firmen ist der Einsatz von Fremdpersonal nicht mehr wegzuden­ken. So gewinnen Unternehmen Flexibilität und reduzieren Fixkosten. Das reformierte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) macht das Thema zur Chefsache. Zum einen erschwert das neue AÜG den Einsatz von Leiharbeitern erheblich. Zum anderen erhöht es die Gefahr von Scheinselbstständigkeit. Firmen sollten bestehende Verträge rund um Fremdpersonal kritisch prüfen und neue mit Weitblick ausgestalten. So können Unterneh­men externe Kräfte trotz der verschärften Vorgaben bedenkenlos einsetzen.

Das neue Gesetz soll missbräuchlichen Praktiken beim Einsatz von Fremdpersonal einen Riegel vorschieben. Es regelt sowohl die Arbeitnehmerüberlassung als auch die Vermittlung und den Einsatz von Selbststän­digen. Ein zentraler Aspekt ist die Neurege­lung der Einsatzzeiten von Leiharbeitern. Im alten AÜG war nicht klar geregelt, wie lange eine Überlassung höchstens erfolgen darf. Künftig ist die Höchstdauer auf 18 Monate limitiert. Tarifverträge oder Betriebsvereinba­rungen lassen abweichend davon eine Ein­satzdauer von maximal 24 Monaten zu. Zeit­räume vor dem 1.4.2017 bleiben außen vor. Personalverantwortliche sollten sich vor­sichtshalber den 22.9.2018 im Kalender rot anstreichen.

Dann endet bei laufenden Kontrakten erst­malig die Höchstüberlassungsdauer. Soll ein Zeitarbeiter im Anschluss im selben Unter­nehmen erneut zum Einsatz kommen, ist ei­ne Unterbrechung von mehr als drei Monaten vorgeschrieben.

Werden die Zeitvorgaben nicht eingehal­ten, wird aus einem Leiharbeiter automatisch ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitneh­mer mit Urlaubsanspruch und Kündigungs­schutz. Übersehen Unternehmen den Ar­beitnehmerstatus, drohen neben hohen Lohnsteuer- und Sozialversicherungsnach­zahlungen zusätzlich strafrechtliche Konse­quenzen. Auch bei der Entlohnung von Zeitarbeitern müssen Entleiher aufpassen. Leiharbeitern steht spätestens nach neun Monaten das gleiche Gehalt (»Equal Pay«) wie dem Stammpersonal zu. Tarifliche Son­derregelungen ermöglichen eine Einsatzzeit von bis zu 15 Monaten ohne Equal Pay. Dazu muss der Entleiher dem Verleiher mitteilen, in welcher Höhe das vergleichbare Arbeits­entgelt zu veranschlagen ist.

Bei Verstößen gegen das Equal-Pay-Gebot droht dem Verleiher ein Bußgeld, das in der Spitze 500000 € betragen kann. Die Berech­nung und Mitteilung des vergleichbaren Ar­beitsentgeltes erfordert erhöhte Sorgfalt. Bei Fehlern kann das Zeitarbeitsunternehmen Bußgelder beim Entleiher einklagen.

Der Arbeitnehmer-Überlassungsvertrag

Für die Gestaltung eines Arbeitnehmer-Über­lassungsvertrags (AÜV) gelten verschärfte Regeln. Der vereinbarte AÜV muss eindeutig als solcher bezeichnet und noch vor Arbeits­beginn des Zeitarbeiters unter Dach und Fach sein. Im Vertrag darf der Name des Leih­arbeiters sowie die Unterschrift des Ver- und Entleihers nicht fehlen. Bei Verstößen gegen die sogenannte »Kennzeichnungs- und Kon­kretisierungspflicht« kann die Arbeitsagentur gegen beide Parteien bis zu 30000 € Buß­geld verhängen. Zudem verliert der Überlas­sungsvertrag gegebenenfalls seine Gültigkeit und der Zeitarbeiter wird zum sozialversiche­rungspflichtigen Angestellten des Entleihers.

Grundsätzlich bleibt ein Ausweg. Falls zwischen Entleiher und Zeitarbeiter unbeab­sichtigt ein Arbeitsverhältnis entsteht, eröffnet das neue AÜG eine arbeitgeberfreundliche Lösung. Der frisch gebackene Arbeitnehmer kann innerhalb eines Monats erklären, dass er am Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält (sogenannte »Festhaltenserklärung«). So ver­meiden Mitarbeiter, dass sie sich wider Willen in der Rolle eines ungewollten Arbeitnehmers wiederfinden. Der Leiharbeitnehmer muss sich die Erklärung persönlich bei der Arbeitsagen­tur bestätigen lassen und spätestens drei Ta­ge später beim Ver- oder Entleiher vorlegen. Firmen sollten nach einer erfolgten Festhal­tenserklärung von einer Weiterführung der Überlassung absehen. Eine erneute Festhal­tenserklärung wäre in jedem Fall unwirksam.

Auch beim Einsatz von Freelancern über Vermittlungsagenturen ist erhöhte Vorsicht geboten. Die Beschäftigung erfolgt auf der Grundlage eines Werk- oder Dienstvertrages zwischen dem Selbstständigen und dem Ein­satzunternehmen. Die Crux: Wenn Freelan­cer etwa über Zeit, Ort und Art ihrer Tätigkeit nicht frei entscheiden können, besteht eine Scheinselbstständigkeit.

Bisher konnten Vermittler im Rahmen der sogenannten »Fallschirmlösung« sich und ihre Auftraggeber vor negativen Konsequenzen schützen. Dafür sorgte eine vorsorglich bean­tragte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Der Dienstleister konnte so eine Scheinselbststän­digkeit nachträglich zur rechtmäßigen Leih­arbeit umdeklarieren. Damit ist jetzt Schluss.

Das neue Gesetz schließt die Fallschirmlö­sung grundsätzlich aus. Der Rechtmäßigkeit bestehender und künftiger Verträge kommt damit eine enorme Bedeutung zu. Die tat­sächliche Beurteilung der Beschäftigungs­form hängt oft von Kleinigkeiten ab. Firmen sollten bestehende Verträge und die gelebte Einsatzpraxis kritisch unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls nachjustieren.

Quelle: Das Elektrohandwerk

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Rebekka De Conno
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
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