06.2025
Zwischen Steuerprivileg und Stolperfalle: Die erweiterte Gewerbesteuerkürzung bei immobilienverwaltenden Kapitalgesellschaften
Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags ist für immobilienverwaltende Kapitalgesellschaften ein attraktives steuerliches Privileg. Doch gerade im ersten Jahr der Aktivität kann sie zur juristischen und steuerlichen Falle werden. Ein aktuelles Urteil des FG Berlin-Brandenburg zeigt, wie schnell diese Begünstigung durch formale oder zeitliche Unstimmigkeiten verloren gehen kann – mit erheblichen Folgen für Strukturierung, Planung und steuerliche Optimierung im Immobilienbereich.
Die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz ist eine zentrale steuerliche Entlastung für Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und daraus Einkünfte erzielen. Anders als operative Gewerbebetriebe dürfen diese Unternehmen ihren Gewerbeertrag um den auf Vermietung und Verpachtung beruhenden Teil kürzen – mit der Konsequenz, dass auf diese Einkünfte keine Gewerbesteuer anfällt. In einer Zeit, in der die Renditen aus Immobilieninvestments zunehmend unter Druck geraten, bedeutet dieses Instrument einen steuerlichen Standortvorteil für professionelle Vermietungsgesellschaften. Voraussetzung ist jedoch, dass sämtliche gewerblichen Aktivitäten strikt auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes beschränkt sind. Der Gesetzgeber stellt dabei hohe Anforderungen – sowohl inhaltlich als auch zeitlich.
Keine Vermögensverwaltung im Sinne des Gesetzes
Genau an diesem Punkt scheiterte eine immobilienverwaltende GmbH, über deren Fall das Finanzgericht Berlin-Brandenburg im November 2024 urteilte. Die Gesellschaft war gegründet worden, um verschiedene Grundstücke zu erwerben und langfristig zu vermieten. Tatsächlich schloss sie im November 2018 mehrere Kaufverträge über bebaute und unbebaute Grundstücke sowie Eigentumseinheiten ab. Der wirtschaftliche Übergang von Nutzen und Lasten – also der Moment, in dem die Gesellschaft das wirtschaftliche Eigentum an den Immobilien erlangte – erfolgte jedoch erst im Mai 2019. Bereits zwischen Vertragsschluss und tatsächlichem Eigentumserwerb wurde sie im Rahmen ihrer Geschäftszwecke aktiv, verhandelte Finanzierungen, beauftragte Makler und bereitete Nutzungsänderungen vor. Im Juli 2019 veräußerte sie dann den überwiegenden Teil der Objekte weiter. Für das Jahr 2019 beantragte die GmbH die erweiterte Kürzung – und erhielt vom Finanzamt eine Absage mit der Begründung, dass die Voraussetzungen der Begünstigung nicht erfüllt seien.
Das Finanzgericht bestätigte diese Auffassung. Ausschlaggebend war nicht nur der Weiterverkauf eines Großteils des Portfolios wenige Monate nach Erwerb, sondern insbesondere die Frage, ab wann die Gesellschaft tatsächlich eigenen Grundbesitz „verwalten und nutzen“ konnte. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass dies erst mit dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums im Mai 2019 der Fall gewesen sei. Die zuvor vorgenommenen Aktivitäten – so plausibel und zweckgerichtet sie auch gewesen sein mögen – seien keine Vermögensverwaltung im Sinne des Gesetzes gewesen. Damit habe die Gesellschaft im maßgeblichen Erhebungszeitraum nicht ausschließlich grundbesitzverwaltend tätig sein können, weil ihr diese Eigenschaft zu Beginn des Jahres schlicht fehlte. Das Urteil verweist dabei auf eine streng formale Auslegung des Gesetzes: Nicht nur qualitativ, sondern auch zeitlich müsse die ausschließliche Verwaltung eigenen Grundbesitzes gegeben sein.
Wirtschaftliche Realität und steuerliche Dogmatik in der Gewerbesteuer miteinander verwoben
Für Immobilieninvestoren, die über Kapitalgesellschaften tätig werden, ist dieses Urteil ein Warnsignal. Wer die steuerlichen Vorteile der erweiterten Kürzung nutzen möchte, muss sehr genau auf die Abfolge von Vertragsabschlüssen, Eigentumsübergängen und operativer Tätigkeit achten. Bereits vorbereitende Maßnahmen wie Finanzierungsgespräche, Beauftragungen oder Umnutzungsplanungen können dann schädlich sein, wenn sie vor dem rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentumserwerb erfolgen und als fremdbezogene oder nicht begünstigte Tätigkeit gewertet werden. Das gilt umso mehr, wenn Immobilien kurzfristig nach Erwerb wieder veräußert werden, da dann zusätzlich der Verdacht eines gewerblichen Grundstückshandels im Raum steht. Eine solche Einordnung schließt die Anwendung der erweiterten Kürzung vollständig aus – mit entsprechend hohen gewerbesteuerlichen Mehrbelastungen.
Das Urteil zeigt auch, wie eng wirtschaftliche Realität und steuerliche Dogmatik in der Gewerbesteuer miteinander verwoben sind. Der objektive Wille, ein Vermietungsportfolio aufzubauen, reicht nicht aus, wenn nicht auch formell und zeitlich nachgewiesen werden kann, dass eine durchgängige Nutzung eigenen Grundbesitzes vorliegt. Die Argumentation der GmbH, sie habe bereits durch den Abschluss der Kaufverträge mit der Verwaltung begonnen und sei rein grundstücksbezogen tätig gewesen, blieb erfolglos. Das Gericht ließ sich nicht auf eine wirtschaftlich-funktionale Betrachtung ein, sondern beharrte auf der klaren Grenze: Der Besitzübergang markiert den Beginn der begünstigten Tätigkeit – nicht die Investitionsabsicht, nicht die Vorbereitung und auch nicht der formale Kauf.
Erweiterte Kürzung verlangt Disziplin, Präzision und vorausschauende Gestaltung
Für Investoren und Berater ergeben sich daraus konkrete Handlungserfordernisse. So kann es sinnvoll sein, den Beginn des Erhebungszeitraums zu verschieben oder Gesellschaftsstrukturen zu wählen, die eine zeitlich saubere Trennung zwischen Erwerbsvorbereitung und Verwaltungstätigkeit ermöglichen. Auch ein Zwischenvehikel, etwa in Form einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft, kann die nötige Flexibilität schaffen. Kritisch ist ebenfalls die Satzungsgestaltung zu prüfen: Gesellschaftszwecke, die auf Handel oder Projektentwicklung hinweisen, können von der Finanzverwaltung als Indiz für schädliche Tätigkeit gedeutet werden – selbst wenn diese Absicht nie realisiert wird. Selbst kleinere Nebentätigkeiten oder unsaubere Formulierungen bergen das Risiko, die Kürzung zu verlieren.
Der Fall wird demnächst vom Bundesfinanzhof überprüft, die Revision ist zugelassen. Ob das oberste deutsche Steuergericht den restriktiven Standpunkt der Vorinstanz bestätigt oder eine wirtschaftsnähere Auslegung erlaubt, bleibt abzuwarten. Bis dahin jedoch ist für steuerlich motivierte Strukturen im Immobilienbereich Vorsicht geboten. Die Expert:innen für Steuerberatung der WWS-Gruppe unterstützen bei der rechtssicheren Umsetzung der erweiterten Gewerbesteuerkürzung.
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