06.2025

Rechtliche Rahmenbedingungen der Arbeitnehmerüberlassung im Konzern

Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass das Konzernprivileg im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz strengen Voraussetzungen unterliegt. Wird ein Arbeitnehmer von einem Konzernunternehmen durchgängig an ein anderes überlassen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Beschäftigung „zum Zweck der Überlassung“ erfolgt ist – und das Konzernprivileg somit entfällt. Dieses Urteil hat erhebliche Bedeutung für die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen innerhalb von Konzernen.

Die Rechtsprechung zur Arbeitnehmerüberlassung steht immer wieder im Fokus juristischer Auseinandersetzungen, insbesondere wenn es um die Anwendung des sogenannten Konzernprivilegs geht. Dieses erlaubt eine vereinfachte Arbeitnehmerüberlassung innerhalb verbundener Unternehmen, unterliegt jedoch engen gesetzlichen Grenzen. Das aktuelle Urteil des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht diese Einschränkungen und zeigt auf, wie entscheidend eine korrekte Umsetzung der rechtlichen Vorgaben ist. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 12. November 2024 (Az. 9 AZR 13/24) wirft ein Schlaglicht auf die rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen der Arbeitnehmerüberlassung innerhalb von Konzernen. Es stellt klar, dass das sogenannte Konzernprivileg nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) nicht uneingeschränkt gilt. Dies hat weitreichende Folgen für die Gestaltung von Arbeitsverhältnissen in Konzernstrukturen.

Im vorliegenden Fall war der Kläger von 2008 bis 2020 bei der S-GmbH, einem Unternehmen innerhalb eines Konzerns, als Sitzefertiger angestellt. Während der gesamten Dauer seiner Beschäftigung arbeitete er auf dem Werksgelände eines anderen Konzernunternehmens, der Beklagten. Die Beklagte und die S-GmbH waren während dieses Zeitraums konzernverbunden. Der Kläger machte geltend, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis nach § 10 Abs. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 AÜG entstanden sei, da er von Beginn seiner Beschäftigung an unter Verletzung der Vorgaben des AÜG als Leiharbeitnehmer eingesetzt worden sei. Die Vorinstanzen wiesen die Klage mit der Begründung ab, dass das Konzernprivileg des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG greife. Das BAG widersprach dieser Auffassung und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurück.

Das Konzernprivileg im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG gilt das Konzernprivileg nur dann, wenn ein Arbeitnehmer nicht „zum Zweck der Überlassung“ eingestellt und beschäftigt wird. Das BAG stellte klar, dass die Konjunktion „und“ im Gesetz nicht kumulativ zu verstehen ist, sondern alternativ. Das bedeutet, dass das Konzernprivileg bereits dann ausgeschlossen ist, wenn ein Arbeitnehmer entweder zum Zweck der Überlassung eingestellt oder zum Zweck der Überlassung beschäftigt wird. Im vorliegenden Fall sah das BAG die kontinuierliche Überlassung des Klägers an die Beklagte über mehrere Jahre hinweg als starken Hinweis darauf, dass die Beschäftigung "zum Zweck der Überlassung" erfolgte. Diese Praxis indiziert nach Ansicht des Gerichts einen entsprechenden Beschäftigungszweck und schließt somit das Konzernprivileg aus.

Entscheidend für die Beurteilung, ob ein Arbeitsverhältnis nach § 10 Abs. 1 AÜG zustande kommt, ist die Eingliederung des Leiharbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Entleihers sowie die Weisungsbefugnis. Das Landesarbeitsgericht wird nun prüfen müssen, ob der Kläger tatsächlich in die Arbeitsabläufe der Beklagten integriert war und deren Weisungen unterlag. Sollte dies der Fall sein, wäre die vertragliche Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der S-GmbH als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren, und es könnte ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten entstehen.

Praktische Auswirkungen des Urteils

Das Urteil des BAG verdeutlicht, dass die Arbeitnehmerüberlassung innerhalb von Konzernen strengen rechtlichen Vorgaben unterliegt. Unternehmen, die Arbeitnehmer langfristig an andere Konzernunternehmen überlassen, sollten ihre Arbeitsverträge und die Gestaltung der Beschäftigungsverhältnisse genau überprüfen. Eine Missachtung der gesetzlichen Anforderungen kann dazu führen, dass unerwünschte Arbeitsverhältnisse entstehen und rechtliche sowie finanzielle Risiken nach sich ziehen.

Insbesondere für die Praxis bedeutet dies:

  • Eine längerfristige Überlassung sollte nur erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass die Einstellung und Beschäftigung nicht „zum Zweck der Überlassung“ erfolgt.
  • Konzernunternehmen müssen nachweisen können, dass der Verleiher weiterhin die arbeitsrechtliche Verantwortung trägt und die Weisungsbefugnis behält.
  • Es empfiehlt sich, klare und transparente Vereinbarungen zu treffen, die Dienst- oder Werkverträge von Arbeitnehmerüberlassungen abgrenzen und den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen.
  • Es empfiehlt sich ferner, in laufenden Arbeitsverhältnissen kritisch zu überprüfen, ob bei Mitarbeitenden, die zwar zunächst nicht zur Arbeitnehmerüberlassung eingestellt wurden, sich ihr späterer Einsatz im Konzernunternehmen nunmehr als Beschäftigung „zum Zweck der Überlassung“ erweist.

Das Urteil unterstreicht die Notwendigkeit, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz auch im Konzernkontext strikt zu beachten. Die fehlerhafte Anwendung des Konzernprivilegs kann gravierende Folgen haben, sowohl für den Arbeitnehmer als auch für die beteiligten Unternehmen. Klare vertragliche Regelungen und eine lückenlose Dokumentation der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse sind unabdingbar, um rechtliche Konflikte zu vermeiden. Das Urteil des BAG bietet somit eine wertvolle Orientierungshilfe für die Praxis der Konzernarbeit und zeigt, wie wichtig eine sorgfältige rechtliche Prüfung in diesem Bereich ist. Die Expert:innen für Arbeitsrecht der WWS-Gruppe beraten Sie in diesen Fällen individuell.

Korrespondenz mit:

Portrait & Vita
Rebekka De Conno
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Tel.: 02166 971-128
Fax: 02166 971-173
E-Mail: r.deconno@wws-gruppe.de

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