11.2023

Internationales Erbrecht: Was deutsche Staatsbürger beim Vererben von Vermögenswerten im Ausland beachten müssen

Die Globalisierung hat dazu geführt, dass immer mehr Menschen Vermögenswerte über nationale Grenzen hinweg besitzen. Insbesondere für deutsche Staatsbürger ergeben sich daraus komplexe Fragestellungen im Bereich des Erbrechts. Welches Recht findet Anwendung, wenn der Erblasser Vermögenswerte im Ausland besitzt?

Internationales Erbrecht ist ein hochkomplexes Rechtsgebiet, das sich mit der Regelung von Nachlässen über Grenzen hinweg beschäftigt. Für deutsche Staatsbürger, die Vermögenswerte im Ausland besitzen, stellt sich oft die Frage, welches Erbrecht Anwendung findet und welche steuerlichen Aspekte zu berücksichtigen sind. Diese Fragen können durch das Aufeinandertreffen verschiedener Rechtssysteme, unterschiedlicher Steuergesetze und diverser kultureller Traditionen zusätzlich kompliziert werden.

Ein wesentlicher Punkt, den deutsche Staatsbürger beachten sollten, ist die Frage des anwendbaren Erbrechts. Gemäß der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO), die seit 2015 in fast allen EU-Ländern Anwendung findet, gilt grundsätzlich das Erbrecht des Staates, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das bedeutet, dass wenn ein deutscher Staatsbürger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien hat und dort verstirbt, in der Regel das spanische Erbrecht zur Anwendung kommt. Es ist jedoch möglich, in einem Testament ausdrücklich das deutsche Erbrecht zu wählen. Diese Rechtswahl sollte klar und eindeutig im Testament verankert sein, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Gewöhnliche Aufenthalt durch Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers bestimmen

Doch was bedeutet dieser „gewöhnliche Aufenthalt“ in der Praxis? Wann liegt ein „gewöhnlicher Aufenthalt“ vor, wann nicht? Die Bestimmung ist nicht immer ganz einfach, wie auch das Bundesjustizministerium in einer Publikation zur Europäischen Erbrechtsverordnung mitteilt. Der gewöhnliche Aufenthalt sei durch eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers festzulegen. Kriterien könnten dabei zum Beispiel sein, wie lange und wie regelmäßig sich jemand in dem betreffenden Staat aufhält beziehungsweise wo sein Lebensmittelpunkt in familiärer oder sozialer Hinsicht sei. Will meinen: Hat ein Deutscher seinen Wohnsitz in Italien, gilt dies als Indikator für den gewöhnlichen Aufenthalt – im Erbfall greift das italienische Erbrecht. Wer allerdings vier Monate im Jahr in Spanien überwintert und im übrigen Jahr in Deutschland lebt, hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Regel in Deutschland. Die Gleiche Regel wird für denjenigen angewendet, der auch für eine längere Zeit im Ausland gearbeitet hat, dabei aber eine enge und feste Bindung zu Deutschland aufrechterhalten hat. In diesen Fällen findet das deutsche Erbrecht Anwendung.

Ein Erbfall, ein Gericht, ein Recht, ein Europäisches Nachlasszeugnis

Die EU hat mit der Erbrechtsverordnung einen Rahmen für die einheitliche Behandlung von Erbfällen geschaffen und bestimmt damit für den gesamten Nachlass, welches nationale Erbrecht zur Anwendung kommt. Dabei wird nicht zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterschieden (sogenannter Grundsatz der Nachlasseinheit). Die Idee dahinter ist: ein Erbfall, ein Gericht, ein Recht, ein Europäisches Nachlasszeugnis. Ein und derselbe Erbfall soll also im Prinzip vor den Gerichten nur eines Staates nach dem dort geltenden Recht abgewickelt werden. Damit verfolgt die EuErbVO in Erbfällen mit Auslandsberührung, kurz gesagt, zwei Ziele. Zum einen soll es Erblassern einfacher gemacht werden, ihren Nachlass zu planen. Zum anderen soll es für die Erben schneller gehen, den Nachlass abzuwickeln, indem die erforderlichen Verfahren verkürzt werden. Die neuen Vorschriften sehen außerdem ein Europäisches Nachlasszeugnis vor. Damit können Erben und Nachlassverwalter überall in der EU ohne weitere Formalitäten ihre Rechtsstellung nachweisen. Das bedeutet vor allem schnellere und kostengünstigere Verfahren.

Erbschaft im Ausland: Gefahr der Doppelbesteuerung

Ein weiteres wichtiges Thema sind die steuerlichen Aspekte. Deutschland hat mit nur sechs Ländern Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Erbschaftssteuer geschlossen. Diese Abkommen sollen verhindern, dass das gleiche Erbe in beiden Ländern besteuert wird. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, die spezifischen Regelungen des jeweiligen Abkommens sowie die Steuergesetze des betreffenden Landes genau zu kennen, um unangenehme finanzielle Überraschungen zu vermeiden. Oft ist nämlich bei letztem Wohnsitz in einem anderen Land (auch) dort Erbschaftsteuerpflicht gegeben: Die nationalen erbrechtlichen oder steuerrechtlichen Vorschriften bleiben von der Verordnung unberührt, die Gefahr der Doppelbesteuerung besteht. Es existiert mithin ein großes Risiko, es mit einer ausländischen Finanzbehörde zu tun zu bekommen. Steuerplanung ist daher für Wegzügler ein dringendes Gebot der Stunde.

Rechtliche Beratung nach deutschem und nach dem Recht des betreffenden Landes dringend geraten

Nicht zu vernachlässigen sind auch formale Aspekte. So ist es etwa wichtig, sicherzustellen, dass ein in Deutschland verfasstes Testament auch in dem Land anerkannt wird, in dem die Vermögenswerte liegen. Dies könnte durch eine Übersetzung und Beglaubigung des Testaments erreicht werden, aber selbst das ist keine Garantie für die Anerkennung durch ausländische Behörden. Deshalb ist eine rechtliche Beratung sowohl nach deutschem als auch nach dem Recht des betreffenden Landes dringend anzuraten. Zu guter Letzt sollte auch die Frage der Testamentsvollstreckung nicht außer Acht gelassen werden. Gerade wenn Vermögenswerte in verschiedenen Ländern liegen, kann die Abwicklung eines Erbes sehr kompliziert werden. Eine Option könnte die Ernennung eines Testamentsvollstreckers sein, der nach internationalem Recht handeln kann.

Rechtswahl zugunsten des Heimatrechts treffen

Deshalb gilt: Wer im Ausland lebt oder seinen Lebensabend dort plant, sollte sich im Vorfeld Gedanken zur Testamentsgestaltung vor diesem Hintergrund machen. Will ich wirklich die Anwendung des ausländischen Erbrechts? Bin ich mir aller Konsequenzen für meine in Deutschland lebenden Kinder bewusst? Um solche Zweifel auszuräumen, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, eine Rechtswahl zugunsten des Heimatrechts zu treffen: Der Deutsche im Alterswohnsitz im EU-Ausland kann festlegen, dass im Erbfalle deutsches Erbrecht angewendet werden soll. Das ergibt zum einen dann Sinn, will der spätere Erblasser in jedem Falle deutsches Erbrecht zur Anwendung bringen. Und zum anderen ist das Wahlrecht nicht irrelevant, wenn über den letzten gewöhnlichen Aufenthalt Unklarheit herrscht, zum Beispiel bei zwei regelmäßigen Wohnsitzen. Das verhindert ein potenzielles juristisches Rätselraten um die zuständige Jurisdiktion. Jedoch gilt Bestandsschutz für alle Testamente, die vor dem 17. August 2015 gestaltet worden sind – also vor dem Start der Europäischen Erbrechtsverordnung. Für diese wird generell deutsches Erbrecht angewendet.

Alles in allem erfordert das Vererben von Vermögenswerten im Ausland für deutsche Staatsbürger eine sorgfältige Planung und Beratung durch Experten im internationalen Erbrecht. Es ist ratsam, frühzeitig mit der Planung zu beginnen und alle Aspekte, von der Rechtswahl im Testament bis hin zu den steuerlichen Folgen, gründlich zu prüfen. Nur so lässt sich sicherstellen, dass der letzte Wille des Erblassers auch tatsächlich umgesetzt wird und dass die Erben nicht mit unerwarteten Problemen und Kosten konfrontiert werden. Die Expert:innen für Erbrecht der WWS-Gruppe stehen für solche Fragen jederzeit zur Verfügung.

Korrespondenz mit:

Portrait & Vita
Stefan Rattay
Geschäftsführer, Diplom-Finanzwirt (FH), Steuerberater, Fachberater für internationales Steuerrecht
Tel.: 0241 886 96-0
Fax: 0241 88696-11
E-Mail: srattay@wws-ac.de

Zurück

Auf dem neuesten Stand

Unser Mitarbeiter befassen sich für unsere Mandanten laufend mit aktuellen Themen aus

Wirtschaftsprüfung ›

Wirtschaftsprüfung

Unsere Wirtschaftsprüfer prüfen auch Ihren Jahresabschluss, implementieren Risikofrüherkennungs- und Kontrollsysteme, achten auf Compliance Regeln und haben aktuelle Entscheidungen fest im Blick.

Steuerberatung ›

Steuerberatung

Unsere Steuerberater informieren unsere Mandanten laufend über steuerrelevante Neuigkeiten: neue Unterstützungsangebote, geänderte Antragsfristen, außergewöhnliche Gestaltungsmöglichkeiten u. v. m.

Rechtsberatung ›

Rechtsberatung

Welche Entscheidungen haben welche Auswirkungen auf Ihr Geschäft? Unsere Rechtsberatung informiert unsere Mandanten laufend über Änderungen in verschiedenen für sie relevanten Rechtsgebieten.