06.2020
Familienheim steuerfrei übertragen: Die Regeln sind streng
In den kommenden Jahren rollt eine echte Erbschaftswelle auf Deutschland zu. Aktuellen Studien zufolge sollen in den Jahren bis 2027 jeweils 87 Milliarden Euro pro Jahr vererbt werden. Und jede fünfte Erbschaft in Deutschland hat einen Wert von mehr als einer Viertelmillion Euro. Vor allem Immobilien stellen dabei einen gewaltigen Teil der Vermögenswerte dar. Laut einer Untersuchung beläuft sich das Immobilienvermögen in Deutschland auf 11,2 Billionen Euro, inklusive des Bodenwerts der bebauten Flächen. Zum Ende des Jahres 2018 erreichte das in Wohnbauten investierte Vermögen der privaten Haushalte in Deutschland auf eine Summe von rund 4,7 Billionen Euro.
Das wirft viele Fragen hinsichtlich der Gestaltung der Vermögensübertragung auf. Denn diese soll natürlich in der Regel einerseits fair und transparent gegenüber den Erben verlaufen und auf der anderen Seite steuerlich optimal. Will heißen: Es soll wenig Schenkung- beziehungsweise Erbschaftsteuer wie möglich gezahlt werden. Dabei helfen die steuerlichen Freibeträge. So können Ehegatten alle zehn Jahre einen Steuerfreibetrag von 500.000 Euro, Kinder von 400.000 Euro geltend machen. Durch eine regelmäßige Nutzung dieser persönlichen Freibeträge lassen sich Übertragungen sinnvoll gestalten und Steuerbomben verhindern. Denn diese können dazu führen, dass beispielsweise eine Immobilie verkauft werden muss, um die Steuerschuld zu bedienen. Wer dies verhindern will, greift besser zu langfristigen Regelungen und nutzt die legalen und rechtlich völlig sicheren Gestaltungsmöglichkeiten über die steuerlichen Freibeträge aus.
Steuerfreiheit des Familienheims bei der Übertragung nutzen
Einen Spezialbereich stellt das sogenannte Familienheim dar, also die selbstgenutzte Immobilie, die den Lebensmittelpunkt des Erblassers darstellt. Kurz gesagt gilt die Regel: Wer das Familienheim erbt und die Immobilie selbst über einen Zeitraum von zehn Jahren nutzt, zahlt für diesen Teil der Erbmasse gar keine Steuern. Das kann natürlich eine hochattraktive Vergünstigung sein, denn nicht selten stellt das Familienheim den größten Einzelwert in einem Portfolio dar. Schaut man sich die Steigerungen der Immobilienpreise der vergangenen Jahre (die derzeit durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie nur unmaßgeblich beeinflusst werden) an, erkennt man leicht, wie stark die Preise in die Höhe gegangen sind. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass an herausgehobenen Standorten Häuser mittlerweile das Doppelte kosten wie vor zehn Jahren. Das treibt dementsprechend auch die Vermögenswerte an sich nach oben – und derjenige, der die Steuerfreiheit des Familienheims bei der Übertragung nutzen kann, kann sich in vielen Fällen glücklich schätzen. Bei Schenkung an den Ehegatten existieren keine weiteren Voraussetzungen, insbesondere keine Zehn-Jahres-Frist. Das ist also die bessere Alternative zum Vererben an den Ehegatten.
Einmal erteilte Steuerbefreiungen können wieder entfallen
Dafür sind einige, durchaus maßgebliche Voraussetzungen zu erfüllen. Die Vorgaben der Steuerbehörden sind streng, und einmal erteilte Steuerbefreiungen können mitunter auch nachträglich wieder entfallen. Daher sollte insbesondere ein Erbe sehr genau alle Vorschriften für den weiteren Umgang mit dem steuerfrei erhaltenen Familienheim beachten. Einen Einblick in die strenge Praxis gibt ein vor dem Bundesfinanzhof im Sommer 2019 verhandelter Fall, in dem eine Erbin von ihrem verstorbenen Ehemann den Miteigentumsanteil am Familienheim erhalten hatte. Dieses bisher gemeinsam genutzte Haus bewohnte sie nach dem Tod ihres Partners alleine, sodass darauf keine Erbschaftsteuer fällig wurde. Laut dem Fachinformationsdienst „Haufe“ habe die Erbin rund anderthalb Jahre später entschieden, das Eigenheim unentgeltlich und unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs auf ihre Tochter zu übertragen. Daraufhin habe das zuständige Finanzamt die Erbschaftsteuer-Festsetzung geändert und die Steuerbefreiung zurückgenommen. Auch das Finanzgericht Münster habe im Anschluss die Eigentumsübertragung als steuerschädlich gewertet und die Klage der Frau abgewiesen. Der Bundesfinanzhof hat diese Einschätzung vollumfänglich bestätigt. Das Familienheim unterfiel also der üblichen Erbschaft- beziehungsweise Schenkungsteuer.
Das Kernargument, die Steuerfreiheit für den Übergang nicht zu gewähren, lautete: Die Steuerbefreiung für den Erwerb eines Familienheims durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner entfällt rückwirkend, wenn der Erwerber das Eigentum an dem Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb auf einen Dritten überträgt. Das gilt auch dann, wenn er die Selbstnutzung zu Wohnzwecken aufgrund eines lebenslangen Nießbrauchs fortsetzt.
Nachträgliche Erbschaftsbesteuerung kann sehr unangenehme finanzielle Folgen haben
Der Versuch der schnellen Weitergabe des Vermögens erscheint zunächst sicherlich sinnvoll, ist aber eben unter Gesichtspunkten einer steueroptimierten Übertragung suboptimal. Gerade in Zeiten stark steigender Immobilienwerte kann eine nachträgliche Erbschaftsbesteuerung sehr unangenehme finanzielle Folgen haben. Um das zu verdeutlichen: Ehegatte und Kinder als die typischen Erben fallen unter die Erbschaftsteuerklasse 1 und zahlen damit zwischen sieben und 30 Prozent Steuer auf den Erwerb, je nach Größenordnung. Bei einer Erbschaft zwischen 600.000 und sechs Millionen Euro beispielsweise werden 19 Prozent Steuer fällig. Ist eine Immobilie 1,2 Millionen Euro wert und wird an ein Einzelkind vererbt (wie im vorliegenden Fall), verbleibt abzüglich des Freibetrages ein zu versteuernder Erwerb von 800.000 Euro, woraus eine Steuerlast von gut 150.000 Euro resultiert. Diese müssen dann irgendwie gezahlt werden, was natürlich auch im Verkauf der Immobilie resultieren kann.
Es ist daher wichtig, Fragen wie einen eventuellen Nießbrauch oder auch eine auf die Erbschaft folgende lebzeitige Schenkung frühzeitig zu besprechen und zu planen. Denn ist der Akt einmal vollzogen, lässt sich nur sehr schwer noch etwas im Sinne des Vermögensschutzes gestalten.
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