07.2023
Erbschaftsteuer beim Familienheim: Rechtliche Bestimmungen beachten
Die selbstgenutzte Immobilie stellt häufig den größten Vermögenswert einer Familie dar und hat entsprechende erbschaftsteuerliche Relevanz. Unter gewissen Bedingungen kann die Übertragung erbschaftsteuerfrei bleiben.
Die Immobilie, die den Lebensmittelpunkt einer Familie darstellt, hat in der Regel einen doppelten Wert: Zum einen ist sie emotional von hoher Relevanz, und zum anderen ist sie ein wichtiges finanzielles Asset. Daher stellt es auch einen Sonderfall im Vermögen dar und verdient besondere Beachtung bei der erbschaftsteuerlichen Gestaltung.
Eine gute Nachricht: Unter bestimmten Voraussetzungen kann das geerbte Familienheim von der Erbschaftsteuer befreit werden. Eine dieser Bedingungen ist, dass der Erbe das Familienheim nach dem Erbfall selbst nutzt und unmittelbar (genauer gesagt: innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall) einzieht. Was aber gilt, wenn der Erblasser vorher schon nicht mehr in dem Haus gewohnt hat, weil dies aufgrund von Pflegebedürftigkeit nicht mehr möglich war? Das Finanzgericht München (FG) hatte darüber zu entscheiden.
Im Inland belegenes Grundstück kann steuerfrei bleiben
Der Hintergrund: Die Klägerin ist Alleinerbin ihrer im Februar 2018 verstorbenen Mutter. Im Nachlass befand sich auch der hälftige Miteigentumsanteil an einem Zweifamilienhaus. Die Wohnung im Erdgeschoss wurde von X, dem Enkel der Erblasserin, genutzt und war zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht vermietet. Die Wohnung im Obergeschoss wurde zunächst von der Erblasserin genutzt, stand nach deren Umzug in eine Pflegeeinrichtung seit April 2014 erst leer und wurde dann befristet für den Zeitraum 1. April 2016 bis 31. März 2020 an Y vermietet, um mit der Miete die Kosten des Pflegeheims zu decken. Die Klägerin beantragte in der Erbschaftsteuererklärung die Steuerbefreiung für das Familienheim, die ihr das Finanzamt aber nicht gewährte. Im August 2020 bezog die Klägerin die Wohnung im Obergeschoss.
Die Klage vor dem Finanzgericht auf Gewährung der Erbschaftsteuerbefreiung war begründet. Ein im Inland belegenes Grundstück kann steuerfrei bleiben, soweit der Erblasser dieses bis zum Erbfall selbst genutzt hat. Die Tatsache, dass die Erblasserin die Wohnung für eine befristete Dauer von vier Jahren vermietet hat, schließt eine Steuerbefreiung nicht aus. Die Erblasserin konnte die Wohnung aus zwingenden Gründen – wegen Pflegebedürftigkeit – zuletzt nicht selbst nutzen. Sie hatte auch ein berechtigtes Interesse an der Vermietung, da die Mieteinnahmen die Kosten des Pflegeheims mitfinanzieren sollten. Eine unverzügliche Selbstnutzung kann nach Ansicht des Gerichts auch vorliegen, wenn die Erbin innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Mietvertrags in die Wohnung eingezogen ist. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass während eines Zehnjahreszeitraums nach dem Erwerb die Wohnung nicht nur vom Erwerber bewohnt wird, sondern auch in dessen Eigentum verbleibt. Daher ist im Besprechungsfall die Steuerbefreiung zu gewähren.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen stellen zwingenden Grund dar
Apropos Zehnjahreszeitraum: Eine Aufgabe der Selbstnutzung innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall bleibt nur dann ohne steuerliche Folgen, wenn der Erbe aus zwingenden Gründen (zum Beispiel bei einer Pflegebedürftigkeit) an einer weiteren Selbstnutzung gehindert ist. Wird die Selbstnutzung des Familienheims vor Ablauf dieses Zeitraums aufgegeben, kann die Steuerbefreiung rückwirkend wegfallen. Dabei stellt sich die Frage, was unter diesen zwingenden Gründen zu verstehen ist. Der Bundesfinanzhof hat zuletzt entschieden, dass der Begriff „zwingend“ nicht nur den Fall der Unmöglichkeit, sondern auch die Unzumutbarkeit der Selbstnutzung umfasst. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können danach einen zwingenden Grund darstellen, wenn sie dem Erwerber eine selbstständige Haushaltsführung im Familienheim unmöglich machen. Im Streitfall hatte die Tochter das von ihrem Vater geerbte Einfamilienhaus zunächst selbst bewohnt, war aber bereits nach sieben Jahren ausgezogen, weil sie ohne fremde Hilfe dort nicht mehr leben konnte.
Das Gericht hat diese Unzumutbarkeit bestätigt und damit einen zwingenden Grund für die Aufgabe der Selbstnutzung anerkannt.
Fragen zur Übergabe des Familienheims frühzeitig besprechen
In einem weiteren Urteil zu dieser Problematik hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch eine depressive Erkrankung eine Unzumutbarkeit und damit einen zwingenden Grund für die Aufgabe der Selbstnutzung darstellen kann. Im Urteilsfall zog die Ehefrau auf ärztlichen Rat aus der von ihrem Mann geerbten Wohnung aus, weil durch den Verbleib im ehemals gemeinsam bewohnten Haus eine zunehmende Verschlechterung ihres Gesundheitszustands eingetreten wäre. Wichtig dabei ist, dass laut Gericht in solchen Fällen eine Erkrankung unter Umständen durch ein ärztliches Gutachten festgestellt werden muss.
Es ist daher wichtig, Fragen zur Übergabe des Familienheims frühzeitig zu besprechen und zu planen sowie die besonderen Bestimmungen im Blick zu behalten. Das kann Schwierigkeiten vermeiden, und gegebenenfalls lassen sich weitere Möglichkeiten der Steuergestaltung nutzen. Sollten Sie Fragen zur Steuerfreiheit des Familienheims haben, unterstützen die Steuerberaterinnen und Steuerberater der WWS-Gruppe gerne.
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