10.2021

E-Commerce: Neue Umsatzsteuerregeln sorgen für mehr Aufwand

Für Unternehmen so gut wie aller Branchen und Größen kann es sich lohnen, für eine Maximierung der Reichweite auf E-Commerce-Strukturen zu setzen. Das gilt vor allem im Rahmen der Internationalisierung. Unternehmen müssen dafür bestimmte umsatzsteuerliche Regelungen beachten und ihre Waren ab einem gewissen Jahresumsatz in jedem EU-Land individuell versteuern, in dem sie Geschäfte machen.

E-Commerce, also der online-basierte Handel mit Waren und Dienstleistungen, hat zuletzt enormen Auftrieb erfahren. Der Umsatz mit Waren im E-Commerce stieg im Jahr 2020 auf insgesamt 83,3 Milliarden Euro und somit um 14,6 Prozent im Jahresvergleich. Der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) erwartet für 2021, dass der E-Commerce mit Waren und Dienstleistungen sogar die 100-Milliarden-Euro-Marke überschreiten wird.

Die 13 größten Handels-Plattformen der Welt haben im vergangenen Jahr laut einer UN-Studie Waren im Wert von 2,4 Billionen Euro verkauft. Nach einer Prognose soll sich die Gesamtzahl der E-Commerce-Nutzer in Deutschland im Jahr 2022 auf 54,25 Millionen belaufen. Das stellt die Statistikplattform Statista.com heraus. Während der Anteil der Personen, die mindestens einmal im Monat im Internet bestellen, in der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen bei rund 22 Prozent liegt, beläuft sich dieser Anteil in der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen auf rund acht Prozent.

Generell wird, auch vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Internationalisierung, der Aufbau von Strukturen für die Online-Vermarktung von Waren und Dienstleistungen immer relevanter. Für Unternehmen so gut wie aller Branchen und Größen kann es sich also lohnen, für eine Maximierung der Reichweite auf E-Commerce-Strukturen zu setzen.

Viele Fragen für E-Commerce-orientierte Unternehmen

Auf der einen Seite können Unternehmen auf eigene Systeme wie selbst aufgebaute und vermarktete Internet-Shops setzen. Das gibt Freiheit und Flexibilität in der Umsetzung, Gestaltung und Administration. Auf der anderen Seite können Fremdsysteme wie Ebay, Amazon oder Google genutzt werden. Diese Anbieter stellen die notwendigen Technologien zur Verfügung und verfügen über eine ausgesprochene Marktmacht, um Kunden gegebenenfalls leichter ansprechen zu können. Das dies mit einer gewissen (finanziellen und administrativen) Abhängigkeit einhergeht, liegt in der Natur der Sache.

Unternehmen, die den Einstieg ins E-Commerce planen, müssen sich also mit einigen wesentlichen Fragen beschäftigen. Dazu gehören neben der Auswahl der richtigen Plattform und Vermarktungsstrategie und dem Aufbau einer rechts- und technologiesicheren IT-Infrastruktur in ganz bedeutendem Maße die steuerlichen Implikationen und Folgen von (internationalen) Online-Geschäften.

Umfassende Reform der Mehrwertsteuerpflichten

Der elektronische Handel mit Waren und Dienstleistungen unterliegt generell den allgemeinen steuerrechtlichen Regelungen. Das unterscheidet ihn nicht von allen anderen unternehmerischen Sachverhalten. E-Commerce weist zusätzlich einige Besonderheiten auf, beispielsweise bei der Umsatzsteuer. Steuerrechtlich wird der elektronische Geschäftsverkehr mit den herkömmlichen Besteuerungsprinzipien für Lieferungen und Leistungen erfasst (§§ 3 und 3a UStG (Umsatzsteuergesetz)). Seit dem 1. Januar 2010 folgen die Besteuerungsprinzipien den Grundregeln im unternehmerischen Bereich (Ansässigkeitsort des Auftraggebers).

Seit 1. Juli sind die komplexen Regelungen des Mehrwertsteuer-Digitalpakets der EU in Kraft. Durch sie soll der grenzüberschreitende elektronische Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern modernisiert und vereinfacht werden. Zu diesem Zeitpunkt haben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union eine umfassende Reform der Mehrwertsteuerpflichten für Verkäufer und Marktplätze des elektronischen Handels im B2C-Bereich (der Handel mit Privatkunden) durchgeführt. Die bisherigen Lieferschwellen werden im Fernverkauf für Lieferungen an private Kunden (B2C) durch eine einheitliche Schwelle von 10.000 Euro abgelöst. Alle Umsätze darüber hinaus sind im jeweiligen Bestimmungsland zu versteuern. Das bedeutet: Aus dieser sogenannten Versandhandelsregelung resultiert bei Überschreiten der Netto-Umsatzschwelle (Lieferschwelle) keine deutsche Umsatzsteuerpflicht, sondern eine Mehrwertsteuerpflicht im Land des Verbrauchers (sogenanntes Bestimmungsland). Die Lieferschwelle fiel je EU-Land unterschiedlich hoch aus. Während in Luxemburg und in den Niederlanden die Grenzwerte bei 100.000 Euro liegt, galt in anderen Staaten die Lieferschwelle von 35.000 Euro, zum Beispiel in Österreich.

Registrierungspflicht in allen betroffenen Bestimmungsländern

Das bedeutet: Deutsche E-Commerce-Unternehmen müssen sich bei Überschreiten der nationalen Schwellen bei der jeweiligen Finanzbehörde, die für deutsche Versandhändler zuständig ist, mehrwertsteuerlich registrieren lassen. Das stellt sicher, dass die Mehrwertsteuer in dem Bestimmungsland auch wirklich abgeführt wird. Daraus folgen weitere administrative Pflichten. Im Anschluss an die mehrwertsteuerliche Registrierung sind dann regelmäßig Umsatzsteuererklärungen abzugeben und die fällige Mehrwertsteuer an die zuständige Finanzbehörde im Bestimmungsland abzuführen. Die Regelungen gelten dabei auch für den Verkauf an Unternehmer, die nur steuerfreie Umsätze erbringen, welche den Vorsteuerabzug ausschließen, Kleinunternehmer und juristische Personen, die keine Unternehmer sind, beziehungsweise die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben.

Die sogenannte Vereinfachungsregelung besagt in diesem Zusammenhang: Zur Vereinfachung der Versteuerung innerhalb der EU wurde das sogenannte OSS-Verfahren (OSS = One-Stop-Shop) eingerichtet. Bei Teilnahme an diesem Verfahren ist lediglich eine einzige Anmeldung im Land des Firmensitzes notwendig, die Verrechnung der Mehrwertsteuer erfolgt dann dort zentral.

Bei Versäumnissen werden häufig Verspätungszuschläge erhoben

Wichtig: Dieser Prozess gilt für jedes Bestimmungsland, in dem die Lieferschwellen im B2C-E-Commerce überschritten werden. Für international sehr aktive E-Commerce-Unternehmen kann das bedeuten, das neue umsatzsteuerliche Handling in zahlreichen oder sogar allen EU-Ländern umzusetzen. Und sobald Unternehmen mit ihren Umsätzen in einem Kalenderjahr die geltende Lieferschwelle überschreiten, müssen sie unabhängig von der Höhe auch im folgenden Jahr die Umsätze im Empfängerland versteuern. Kommt es zur Überschreitung der Lieferschwelle, kann eine unterlassene Registrierung und/oder ein falscher Umgang mit dieser Thematik zu Strafzahlungen führen. Bei Versäumnissen werden häufig Verspätungszuschläge erhoben.

Dabei ist auch der §14c UStG zu beachten, in dem es heißt: „Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 entsprechend anzuwenden. In den Fällen des § 1 Abs. 1a und in den Fällen der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung nach § 9 gilt Absatz 2 Satz 3 bis 5 entsprechend.“

Unternehmen können auf die Anwendung der Lieferschwelle verzichten

Damit Unternehmen sich den Regelungen unterwerfen müssen, gelten bestimmte Bedingungen: Die elektronischen Dienstleistungen müssen an einen Kunden in einem anderen EU-Staat erbracht werden oder die Waren werden in einen anderen Mitgliedstaat geliefert oder die Lieferschwelle von 10.000 Euro wird im laufenden Jahr und wurde bereits im Vorjahr überschritten. Ebenso ist Voraussetzung, dass der Unternehmer nur in einem Mitgliedstaat ansässig ist. Unternehmen können selbstverständlich freiwillig auf die Anwendung der Lieferschwelle verzichten. In diesem Fall müssen sie alle Umsätze im anderen Mitgliedstaat versteuern.

Wie Unternehmen mit den neuen umsatzsteuerlichen Anforderungen bei der E-Commerce richtig strukturieren, erklären die Experten für Steuerberatung der WWS-Gruppe.

 

Korrespondenz mit:

Matthias Gehlen
Steuerberater
Tel.: 02166 971-0
Fax: 02166 971-200
E-Mail: mgehlen@wws-mg.de

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