05.2021

Die umsatzsteuerliche Organschaft ist nicht frei wählbar

Der EuGH hat mit Urteil vom 15. April 2021 (Az.: C-868/19) im Nachgang zu seinem Urteil aus 2015 (Az.: C-108/14), in dem er bereits ausführte, dass Personengesellschaft umsatzsteuerliche Organgesellschaften sein können, die Voraussetzungen, unter denen dies der Fall sein kann, weiter präzisiert. Insbesondere hat der EuGH der Auslegung der deutschen Finanzverwaltung und eines Senates des Bundesfinanzhofes widersprochen, wonach Personengesellschaften nur dann Organgesellschaften sein können, wenn auch alle anderen Gesellschafter (neben dem Organträger) finanziell in den Organträger eingegliedert sind. Diese enge Auslegung sei unionsrechtswidrig: Die Voraussetzung der vollständigen Beherrschung einer Personengesellschaft als Eingliederungsvoraussetzung ist mit der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie nicht vereinbar. Die engere Auffassung des Bundesfinanzhofs hatte das Bundesfinanzministerium in Abschnitt 2.8 Abs. 5a Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) übernommen.

Die neue EUGH Rechtsprechung bedeutet, dass Personengesellschaften nun unabhängig von ihren anderen Gesellschaftern finanziell in das Unternehmen einer ihrer Gesellschafter (Organträger) eingegliedert sein können. Bei juristischen Personen (AG und GmbH) genügt hierfür die Mehrheit der stimmberechtigenden Anteile. Bei Personengesellschaften kann ein Einstimmigkeitsprinzip die Eingliederung ggf. weiterhin verhindern.

Wird umsatzsteuerliche Organschaft von Antragswahlrecht abhängig gemacht?

Eine Organschaft ist die Zusammenfassung von rechtlich selbständigen Unternehmen zu einer Besteuerungseinheit. Dabei wird ein rechtlich selbständiges Unternehmen (die Organgesellschaft) in ein anderes rechtlich selbständiges Unternehmen (den Organträger) dergestalt integriert (sog. wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Eingliederung), dass die steuerlichen Vorgänge der Organgesellschaft grundsätzlich dem Organträger als eigene zugerechnet werden. Beide Unternehmen erscheinen dadurch insoweit als ein einheitlicher Steuerpflichtiger, ohne ihre rechtliche Selbständigkeit zu verlieren.

Bei dem vor dem EuGH verhandelten Fall stand die umsatzsteuerliche Organschaft im Fokus. Eine Organschaft für Zwecke der Umsatzsteuer (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) führt dazu, dass nur ein Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vorliegt und demnach als Organträger alleiniger Steuerschuldner ist, der auch Voranmeldungen und Jahreserklärungen – für den Organkreis – abzugeben hat.

Wenn die Voraussetzungen einer umsatzsteuerlichen Organschaft erfüllt sind, ist diese nicht frei wählbar. Es existieren allerdings diesbezügliche Pläne, die umsatzsteuerliche Organschaft künftig von der Ausübung eines Antragswahlrechts abhängig zu machen (sog „Umsatzsteuergruppe“). Diese Regelung kann nur zur Vermeidung von Steuerumgehungen eingeschränkt werden. Aus dem EuGH Urteil entsteht hinsichtlich der umsatzsteuerlichen Strukturierung gegebenenfalls Handlungsbedarf. Es sollte individuell geprüft werden, was für die betroffenen Personengesellschaften günstiger ist.

Reaktion der Finanzverwaltung bleibt abzuwarten

Personengesellschaften, denen allein aufgrund der restriktiven Verwaltungsauffassung zur finanziellen Eingliederung die Anerkennung als umsatzsteuerliche Organschaft versagt wurde, können sich unmittelbar auf die Rechtsprechung des EuGH berufen. Personengesellschaften wiederum, die auf Grundlage dieser Sichtweise in der Vergangenheit nicht als Organgesellschaft behandelt wurden und dies vorläufig auch nicht möchten, sollten weiterhin Vertrauensschutz genießen indem sie sich auf die derzeit geltende Verwaltungsauffassung berufen. Für die Zukunft sind gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um die gewünschte umsatzsteuerliche Behandlung zu erreichen.

Die Reaktion der Finanzverwaltung bleibt abzuwarten. Wichtig dafür ist das weitere Verfahren vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Az. 5 K 5044/19). Das Finanzgericht hatte mit seiner Vorlage das in Frage stehende EuGH-Urteil erwirkt. Das finale Urteil des Finanzgerichts basierend auf der Vorlage an den EuGH wird kurzfristig erwartet.

Korrespondenz mit:

Joachim Brunen
Steuerberater
Tel.: 02153 9777-21
Fax: 02153 9777-33
E-Mail: jbrunen@wws-ne.de

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