05.2024

Beweislastumkehr: Erleichterungen für diskriminierte Bewerber

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet bekanntlich Diskriminierung aufgrund von Behinderung bei der Einstellung, während des Arbeitsverhältnisses und bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wer sich durch eine Absage nach einer Stellenbewerbung diskriminiert fühlt, hat im Gegensatz zu anderen Klägern einige Trümpfe in der Hand, zeigt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts.

Diskriminierung im Arbeitsrecht ist ein wichtiges Thema, das durch verschiedene Gesetze und Regelungen, insbesondere durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Deutschland, adressiert wird. Das AGG zielt darauf ab, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Das AGG verbietet bekanntlich Diskriminierung aufgrund von Behinderung bei der Einstellung, während des Arbeitsverhältnisses und bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dies bedeutet, dass Arbeitgeber Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligen dürfen, sei es bei der Auswahl für eine Stelle, bei Beförderungen, bei der Vergütung oder bei Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um Menschen mit Behinderungen den Zugang zur Arbeit und die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit zu ermöglichen. Dazu können Änderungen am Arbeitsplatz, flexible Arbeitszeiten oder die Bereitstellung spezieller technischer Hilfsmittel gehören.

Entschädigungsanspruch nach AGG

Das AGG hat auch wesentliche Auswirkungen auf den Bewerbungsprozess in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf die Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderungen: Wer sich durch eine Absage nach einer Stellenbewerbung diskriminiert fühlt, hat im Gegensatz zu anderen Klägern einige Trümpfe in der Hand. Denn bei Klagen, die sich gegen eine gemutmaßte Diskriminierung richten, sind es die Arbeitgeber, die beweisen müssen, dass sie rechtens gehandelt haben. Wer das wie im folgenden Fall vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht kann, muss Entschädigungszahlungen in Kauf nehmen.

Der schwerbehinderte Bewerber bewarb sich auf eine im Internet ausgeschriebene Stelle. Er wies in der Bewerbung auf seine Schwerbehinderung hin. Nachdem ihm der potenzielle Arbeitgeber eine Absage erteilt hatte, machte der Bewerber einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend. Dabei rügte er pauschal, dass weder der Betriebsrat noch die Schwerbehindertenvertretung über seine Bewerbung informiert worden seien. Der Arbeitgeber meinte hingegen, der Bewerber hätte nicht über alle in der Stellenanzeige genannten Kriterien und Qualifikationen verfügt und wäre deshalb nicht eingestellt worden. Zu einer fehlerhaften Beteiligung von Betriebsrat oder Schwerbehindertenvertretung äußerte er sich nicht – ein großer Fehler, wie sich später herausstellte.

Arbeitgeber trägt Beweislast, dass kein Verstoß gegen AGG vorliegt

Das BAG sprach dem schwerbehinderten Bewerber nun auch einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 7.500 Euro zu. Denn nach § 22 AGG sind bei Diskriminierungen Erleichterungen bei der Darlegungslast vorgesehen – eine sogenannte Beweislastumkehr ist möglich. Die Beweislastumkehr ist eine Ausnahme von dem rechtlichen Grundsatz, dass grundsätzlich jede Partei die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnorm trägt. Kann ein Bewerber konkrete Anhaltspunkte darlegen, die seine Benachteiligung im Sinne des AGG vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass gerade kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen habe. In dem vorliegenden Fall reichte es aus, dass der Bewerber vorgetragen hatte, dass der potenzielle Arbeitgeber gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen habe, da er behauptete, dass der Betriebs- oder Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung nicht nach § 164 Abs. 1 Satz 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch über die Bewerbung unterrichtet wurden. Und weil er dies unterlassen hatte, musste der Arbeitgeber dem Bewerber eineinhalb Gehälter zahlen.

Um Diskriminierungsindizien darzulegen, genügt künftig die bloße Vermutung, dass der Arbeitgeber den Betriebs- oder Personalrat oder die Schwerbehindertenvertretung über die Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen nicht unterrichtet hat. Mit diesem Urteil hat das BAG dafür gesorgt, dass nun Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung tatsächlich informiert werden. Andernfalls kann es für das Unternehmen richtig teuer werden.

Grundsätzlich keine Diskriminierung aufgrund von Behinderung

Generell müssen Arbeitgeber darauf achten, dass ihre Stellenausschreibungen keine diskriminierenden Anforderungen enthalten. Dies bedeutet, dass Anforderungen, die Menschen mit Behinderungen ausschließen könnten, nur dann zulässig sind, wenn sie für die Stelle unbedingt erforderlich sind. Während des gesamten Bewerbungsverfahrens müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass keine Diskriminierung aufgrund von Behinderung stattfindet. Dies gilt für alle Phasen des Prozesses, von der Sichtung der Bewerbungsunterlagen bis hin zu Vorstellungsgesprächen. Arbeitgeber sind verpflichtet, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass Bewerber mit Behinderungen am Bewerbungsprozess teilnehmen können. Dazu kann beispielsweise die Bereitstellung barrierefreier Räumlichkeiten oder spezieller technischer Hilfsmittel für das Vorstellungsgespräch gehören.

Die Bewertung der Qualifikationen und Fähigkeiten der Bewerber muss unabhängig von einer Behinderung erfolgen. Arbeitgeber sollten sich darauf konzentrieren, wie ein Bewerber mit oder ohne angemessene Anpassungen zur Erfüllung der Stellenanforderungen beitragen kann. Im Falle einer Ablehnung sollten Arbeitgeber darauf achten, dass die Gründe für die Nichtauswahl nicht diskriminierend sind. Das Feedback sollte sich auf die Qualifikationen und die Eignung für die Stelle beziehen und nicht auf die Behinderung. Die Expert:innen für Arbeitsrecht der WWS-Gruppe beraten Sie in diesen Fällen individuell.

Korrespondenz mit:

Portrait & Vita
Rebekka De Conno
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Tel.: 02166 971-128
Fax: 02166 971-173
E-Mail: rdeconno@wws-mg.de

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